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Zwischen Ärger und Akzeptanz – Der Wetteraukreis hat die nächtliche Ausgangssperre bis 10. Januar velängert

Die meisten angehaltenen Autofahrer kommen von der Arbeit und können das entsprechend bescheinigen. Foto: Niklas Mag
Die meisten angehaltenen Autofahrer kommen von der Arbeit und können das entsprechend bescheinigen. Foto: Niklas Mag
Axel Vestweber (links) und Jan-Patrick Leibrich kontrollieren am Samstagabend die Einhaltung der Ausgangsbeschränkung in Bad Vilbel und Karben. Foto: Niklas Mag

Reporter Niklas Mag hat die Polizei bei einer nächtlichen Corona-Kontrolle begleitet

Bad Vilbel/Karben. Seit dem 15. Dezember herrscht eine nächtliche Ausgangssperre in der Wetterau. Von 21 Uhr abends bis 5 Uhr früh. Sie war zunächst bis Heiligabend beschränkt, wurde nun aber von der Kreisregierung bis 10. Januar verlängert.

Für die Polizisten bedeutet das zusätzliche Nachtschichten. Die meisten Personen, die nachts aufgegriffen werden, zeigen sich einsichtig. Doch es gibt auch andere Fälle.
Pünktlich zum Beginn der Ausgangssperre machen sich Polizeikommissar Jan-Patrick Leibrich sowie Dienstgruppenleiter und Polizeihauptkommissar Axel Vestweber bereit. Ihre erste Station in dieser Nacht führt sie nach Karben. Denn beide Städte führen die Corona-Kontrollen gemeinsam durch.

 

»Die Leute zeigten sich bisher immer sehr einsichtig«, weiß Vestweber. »Wir kriegen momentan außerdem jede Menge Anrufe. Die Leute wollen wissen, was passiert, wenn ihre Bahn verspätet ist und sie deshalb noch auf der Straße sind.« Man schreibe dann die Namen auf und lasse das so durchgehen. »Wir wollen nicht päpstlicher sein als der Papst«, meint Vestweber.
Allerdings mussten die Beamten in der Nacht zuvor, von Freitag auf Samstag, siebenmal Strafzettel ausstellen. 200 Euro kostet die Verletzung der Ausgangssperre für Erwachsene, 100 Euro für Jugendliche. »Bisher waren aber alle Leute etwa zwischen 30 und 55«, erzählt einer der beiden Karbener Ordnungsamtsmitarbeiter nach der Begrüßung seiner Vilbeler Kollegen. Die Vilbeler Polizisten leisten hier Amtshilfe und begeben sich mit den beiden Karbenern in Richtung Zentrum.

Schichtwechsel bei Conti
Um kurz nach 21 Uhr sind noch einige Autos und Personen auf dem Parkplatz zwischen den Supermärkten am Karbener Bahnhof unterwegs. Doch sie alle haben gerade ihre Arbeit beendet und können deshalb unbesorgt den Heimweg antreten. Ein Fahrradfahrer fährt zu seiner Nachtschicht, ein Mann führt seinen Hund aus. Auch das ist erlaubt. »Gestern war hier um diese Zeit noch deutlich mehr los«, meint einer der Ordnungshüter.
Am Samstagabend liegt die Neue Mitte in Karben wie ausgestorben da, die Beamten fahren deshalb zum Karbener Rathaus. Auf beiden Seiten der Bahnhofstraße postieren sie sich je zu zweit und stoppen die wenigen vorbeikommenden Fahrzeuge. Nach einem kurzen Wortwechsel mit einem Fahrer lässt Axel Vestweber diesen sofort wieder ziehen: »Bei Conti ist Schichtwechsel. Um diese Zeit trifft man viele, die dorthin wollen.«
Tatsächlich kann nahezu jedes Fahrzeug sofort weiterfahren. Die vier Männer wissen: »Neun von zehn Fahrern zücken schon die Erlaubnis vom Arbeitgeber, die beweist, dass sie noch nach 21 Uhr unterwegs sein dürfen, wenn wir sie anhalten.«
Doch für die Polizisten sind die Corona-Kontrollen eine zusätzliche Belastung. Sogar längst geplante freie Tage mussten verschoben werden, erzählen sie. Das gehöre aber nun einmal zum Job.

Später am Abend stoppt Jan-Patrick Leibrich auf der anderen Straßenseite mit seinem Karbener Kollegen einen Mercedes. Der Fahrer war in Gießen unterwegs und will nun nach Hause. Doch in Karben herrscht Ausgangssperre. »Abzocke!« ruft dieser, ärgert sich maßlos, akzeptiert aber seine Strafe über 200 Euro.

Nicht gewusst, gilt nicht
Für Vestweber und seinen Kollegen geht es gegen 22 Uhr zurück in die Quellenstadt. Zu Fuß bewegen sie sich durch die vollkommen stille Frankfurter Straße. »Ich bin seit 22 Jahren in Bad Vilbel«, erzählt Vestweber. »Die Frankfurter Straße samstagabends so zu sehen, ist schon sehr merkwürdig.«
Auch hier halten die Polizisten noch einige Fahrzeuge und Fußgänger an. Es sind sehr wenige, nahezu alle von ihnen kommen von der Arbeit und sind auf dem Heimweg. Lediglich eine Smart-Fahrerin muss sich erklären. Es ist bereits 22.20 Uhr und sie hatte ihre Tochter von einer Freundin abgeholt. Ein klarer Verstoß, an dem es wenig zu rütteln gibt. »Ich wusste nichts von der Ausgangssperre. Gibt es nicht erst mal eine Verwarnung?«, fragt sie entsetzt. Doch den Vilbeler Beamten bleibt keine Wahl. 400 Euro müssen die beiden Frauen insgesamt Strafe zahlen.

Bis etwa drei Uhr früh sind die beiden Polizisten noch unterwegs. Je nach Bedarf auch länger. »Wir schauen uns gleich noch einmal an den Plätzen um, wo die Jugend gerne sitzt. Danach fahren wir durch die Straßen und kontrollieren nach Mitternacht noch einmal die Frankfurter Straße«, kündigt Vestweber an und verschwindet mit seinem Kollegen wieder in Richtung Auto.

Und wenn der Zug Verspätung hat? – Fragen und Antworten zur nächtlichen Ausgangssperre

Wetteraukreis. Wegen der hohen Corona-Infektionszahlen gilt eine nächtliche Ausgangssperre. Alle Wetterauer müssen von 21 bis 5 Uhr in ihren Wohnungen bleiben und dürfen sie nur verlassen, wenn es einen triftigen Grund dafür gibt. Bei einer Kontrolle durch Polizei oder Ordnungsamt muss dieser auch nachgewiesen werden. Die Regeln im Einzelnen:

Arbeiten: Wer zur Arbeit muss oder von der Arbeit kommt, darf auch nach 21 Uhr und vor 5 Uhr unterwegs sein. Arbeitgeber können ihren Beschäftigten formlose Bescheinigungen ausstellen. Auch wer Aus- oder Weiterbildungsangebote wahrnimmt, fällt unter diese Ausnahme.

Besuch: Wer außerhalb des Kreises wohnt, darf die Wetterau nicht vor 5 Uhr aufsuchen und muss sie vor 21 Uhr wieder verlassen. Wer einen anderen Hausstand besucht, muss den Besuch so planen, dass die Rückkehr in die eigene Wohnung spätestens um 21 Uhr erfolgt ist, oder im gastgebenden Haushalt übernachten. Hausstände dürfen im Rahmen der zulässigen Möglichkeiten auch Personen über Nacht beherbergen, die nicht hier sesshaft sind. Auch diese dürfen aber nachts die Wohnung nicht verlassen.

ÖPNV und Reisen: Reisen sind so zu planen, dass weder die An- noch die Abreise in die Zeiten der Ausgangssperre fallen. Wer sich unverschuldet (etwa wegen Verspätungen oder Verkehrsbehinderungen bei der Heimfahrt) nachts noch außerhalb einer Wohnung aufhält, handelt dann nicht ordnungswidrig, wenn er sich nach dem Auflösen des Staus oder etwa der Ankunft des Zuges auf schnellstem Weg nach Hause begibt.

Durchreise: Durchreisen durch den Wetteraukreis – per Zug, Bus oder Auto – sind zulässig. Auch Tanken und der Besuch einer Raststätte im Sinne der notwendigen Versorgung sind erlaubt. Das gilt auch für das Umsteigen an Bahnhöfen.

Einsätze: Müssen ehrenamtliche Angehörige von Feuerwehren oder Katastrophenschutzeinheiten zu einem Einsatz, dürfen sie die Wohnung verlassen. Dies gilt auch für Personen, die zum Beispiel in der Notfall- oder Telefonseelsorge tätig sind.
Einkaufen: Wer zum Einkaufen unterwegs ist, muss dies so planen, dass die Rückkehr in die eigene Wohnung bis 21 Uhr erfolgt.
Gastronomie: Das Abholen von Speisen ist nach 21 Uhr nicht mehr möglich. Lieferdienste fallen unter die Ausnahme der beruflich Tätigen und dürfen auch nach 21 Uhr noch Speisen ausliefern.

Krankheit, Pflege, Unterstützung: Dringend nötige Besuche beim Arzt sind zulässig. Auch wer kranke und unterstützungs- oder pflegebedürftige Menschen betreut, kann für diesen Zweck die Wohnung verlassen. Dies schließt auch ein notwendiges Aufsuchen von Apotheken-Notdiensten ein.

Tiere: Wer einen Hund versorgt, darf mit diesem Gassi gehen. Auch wer andere Haustiere versorgen muss, fällt unter die Ausnahmen. Ebenso dürfen Tierbesitzer notfallmäßig zu einer Tierarztpraxis.

Verstöße: Verstöße gegen die Ausgangssperre sind Ordnungswidrigkeiten und  werden mit Bußgeldern bis zu 200 Euro sanktioniert.

Die Allgemeinverfügung, die die nächtliche Ausgangssperre und ein ganztägiges Alkoholverbot regelt, ist bis 10. Januar 2021 gültig. (zlp)