Am Wegesrand im Karbener Wald liegen derzeit viele gefällte Stämme. Zu viele?
Karben. Geradezu gesäumt sind zurzeit die Pfade des Karbener Stadtwaldes mit abgeholzten Buchen oder Lärchen. „Klar, im Winter ist die Zeit der Ernte“, erklärt Helmut Link, der als Förster seit 2004 auch für Karbener Waldflächen zuständig ist. Was für den Laien wie ein Kahlschlag aussieht, ist für Waldkenner Helmut Link ganz alltägliche Forstwirtschaft.
Unweit einiger gefällter Bäume kniet sich der Waldexperte auf den Boden, zupft an einem kleinen Sprössling: „Diese Buche“, so Link, „wird in ungefähr 100 Jahren genauso einen großen Stamm haben, wie die, die hier daneben liegt.“
Ehrfürchtig ist er und begeistert von der Natur, die alles ermögliche: „Ein Wunder“, sagt er und blickt um sich. „Die Natur kann das. Sie ist Profi – wir versuchen nur, ein bisschen davon zu nutzen.“ Damit meint der Forstwirt etwa Möbel oder Papier herzustellen – Produkte aus dem Holz solcher Stämme. „Leider ist nicht alles sinnvoll, was aus Holz gemacht wird“, bedauert der Ökologe, der einst Volkswirtschaft und Politikwissenschaften studiert hat. Erst danach war Link in den Gemüseanbau gewechselt und hatte schließlich auch in einem Sägewerk gearbeitet, bevor er schließlich Forstwirt wurde.
„Ich finde es schade, wenn die Arbeit der Förster derart missverstanden wird“, erklärt Link traurig. Öffentliche Kritik üben die Grünen und die SPD in diesen Tagen am Holzeinschlag. „Das erschüttert mich in meinen Grundwerten“, fügt Link hinzu. „Ich empfinde das als das Gegenteil von Würdigung.“ Er blickt nach unten auf den Trieb einer Küstentanne: „Die wachsen hier so prächtig, dass wir überlegt haben, sie als Saatgut zu nehmen“, fährt Link sogleich fort, ungeachtet aktueller Seitenhiebe aus der Politik. „Buche und Eiche sind meine Lieblingsbestände“, erklärt Link weiter.
Neben der Küstentanne zeigt er Buchentriebe, Bergahorn oder Holunder. Link: „Wenn man die Natur machen lässt, so zeigt sie, was möglich ist.“ Natürlich geschehe hier aber nichts ohne Plan: „Nadelholz ist wichtig für die deutsche Wirtschaft“, betont der Ökonom in ihm. „Wir können nicht immer nur importieren.“ Ein rotes Dreieck an einem Stamm bedeutet, dass dieser Baum nicht gefällt werden darf, erklärt er an anderer Stelle. Damit bezeichne er einen Naturschutzbaum. Denn im Stamm oben hat der Förster die Höhle eines Spechts ausgemacht. Fast scheint es, als wären die Bäume für den Förster wie Kinder.
Link scheint alle zu kennen, selbst Standorte der Sprösslinge sind ihm bekannt. „Das alles hier folgt einer Zehnjahresplanung“, bemerkt er über seine Arbeit im Wald. Für jedes Waldstück gebe es eine Zustandserfassung sowie eine Prognose über den Zuwachs – ungeachtet der Störungen, wie etwa Stürme oder Pilzbefall.
Jedes Jahr werden diese Erfassungen unter die Lupe genommen. Denn der Zuwachs bestimmt die Ernte. Gibt es etwa 120 Festmeter Zuwachs an Buchen im Jahr, werden rund 80 bis 90 „geerntet“.
„Deshalb sieht es nach dem Holzeinschlag im Wald immer auch etwas wild aus“, gesteht Link. Nachhaltig sei das Konzept der hessischen Forstwirtschaft, die auf immerhin 300 Jahren Erfahrung basiere, auf jeden Fall, verspricht Link. Andere Bäume im Karbener Wald müssen auch deshalb gefällt werden, weil sie etwa die Gehwege und damit die Passanten gefährden. „Die eine Lärche war vom Wind angeknackst, die andere war verfault“, zeigt er zwei Stämme in unmittelbarer Nähe des Trimm-Dich-Pfades. Späne, die bewusst auf Wegen verteilt wurden, gefallen dem Förster sehr gut.
Seine Arbeit beschreibt Link als „Begleitung“. Umso trauriger sei er, dass ab kommendem Jahr ein Stück des Waldes zwangsläufig weichen soll: Wegen des Ausbaus der durchquerenden Kreisstraße. Er habe die Veränderung in seine Waldplanung aufgenommen: „Das sind zwei bis vier Meter auf der einen und ganze zwölf Meter für einen Fahrradweg auf der anderen Seite!“ Manchmal müsse man weit vorher eingreifen, um Bäume aus dem Hintergrund zu stabilisieren. Also dem Wald etwa mehr Buchen zu entnehmen, zugunsten von Eichen. Letztlich entscheide der Eigentümer über die Nutzung des Waldes – in diesem Fall die Stadt Karben. Ziel der Forstwirtschaft sei ein gesunder Mix aus Freizeit, Erholung, Naturschutz, aber auch wirtschaftlichem Profit.