Der Streit über den neuen Niddaradweg nahe Klein-Karben könnte bald beigelegt sein: Die CDU schlägt vor, als Ausgleich dafür, dass die Strecke über hunderte Meter vom Fluss weg verlegt wird, einen attraktiven Rundweg zu schaffen. Die Kritiker loben diese Idee. Doch Skepsis kommt von neuer Seite.
Karben. Es sind nur eine Handvoll Menschen, die deswegen in die Ortsbeiratssitzung gekommen sind. Aber das Vorhaben bringt sie emotional stark in Wallung: die Nidda-Renaturierung südlich von Klein-Karben und dass der Niddaradweg auf 700 Metern Länge ein Stück vom Fluss weg verlegt wird.
„Wir wollen den neuen Weg nicht wie in Dortelweil: schnurgerade, ohne einen Baum und gut asphaltiert ausgebaut für die Traktoren“, schimpft Inge Weil. „Das schönste Stück Nidda wird hier den Bürgern genommen.“
Da nickt FW-Ortsbeiratsmitglied Jürgen Dreschel: „Wir können nicht die ganze Natur einzäunen, sondern müssen auch an die Naherholung denken.“ Per Fahrradtour und Internetvideo macht die FW Front gegen das Renaturierungsprojekt – seit Hansgeorg Jehner das Vorhaben der Gerty-Strohm-Stiftung im Ortsbeirat vorstellte.
Die Grafik aus der FNP-Berichterstattung von jenem Abend hat Ortsvorsteher Reinhard Wortmann (CDU) nun an die Wand gehängt. Den Politikern und Besuchern trägt er an diesem Abend einen Kompromissvorschlag vor. So soll der Nidda-Zoff entschärft werden. „Wir können den Niddaradweg auf der anderen Seite des Flusses nutzen“, sagt Wortmann. Denn das Ostufer werde nicht verändert.
Abgeflachte Ufer
Von dort könnten Passanten die renaturierten Flächen auf der Westseite betrachten. Ein Rundweg schwebt den Christdemokraten vor: vom Hissigwald-Festplatz aus an der Nidda hinab, vorbei am Kleintierzuchtverein, dann übers alte Wehr des Altarms, durch die Rendeler Wiesen bis fast zur Scharmühle und durch die Klein-Karbener Wiesen zurück ins Dorf.
„Teilweise ist der Weg schon gut ausgebaut“, sagt Wortmann. In einigen Teilbereichen aber müsse er noch geschottert werden, damit man dort gut fahren könne. Von diesem Weg aus „kann man die Nidda auf vier Kilometern Länge genießen“. Die Strecke führe auch am Nidda-Altarm entlang, der in nächster Zeit durch Abflachen der Ufer ebenfalls attraktiver werde.
Brücke bei Rendel
Auf die Idee reagieren die Besucher der Sitzung mit Skepsis: „Der Alternativweg ist ab den Kleintierzüchtern nicht mehr für Fahrradfahrer geeignet“, moniert Jürgen Dreschel. Der Übergang über das Wehr sei „nicht so richtig fertig“. Zudem werde der neue Altarm – also der heutige Fluss-Kanal, den die Nidda durch ein neues Flussbett umfließen soll –, „ein einziges Schlamm- und Mückenparadies“.
So greift Besucher Alfred Fischer den Ortsvorsteher an: „Wollen Sie von der anderen Seite ablenken?“ Dass ein solches Vorhaben frühestens „in 20 Jahren“ realisiert werde, fürchtet Inge Weil. Als Bürgermeister Guido Rahn (CDU) ihr widerspricht, fordert sie: „Unterschreiben Sie doch heute die Pläne!“
Die gebe es doch noch gar nicht, sagt Rahn. Aber er werde sie nun in der Verwaltung erarbeiten lassen. „Das zu bauen klappt nicht im nächsten Jahr, das dauert aber auch keine 20 Jahre“, verspricht er. Außerdem habe man im Rathaus schon länger die Idee, in Höhe Rendel eine weitere Niddabrücke für Radfahrer und Fußgänger zu bauen – nach dem Vorbild der Brücke am Einsiedel bei Burg-Gräfenrode.
Dann erhielten auch die Rendeler eine kurze Verbindung Richtung Dortelweil. Als Projekt des Niddaradwegs könne die Stadt dafür 60 bis 70 Prozent Fördergeld erwarten. Und Schlamm und Mücken müsse niemand im „neuen“ Altarm erwarten: „In Gronau zeigt sich doch, dass das funktioniert“, erinnert Rahn. Dass Stadt und Stiftung „Fehler der Vergangenheit“ am Fluss korrigierten, verteidigt er – und auch, dass an einem Flussabschnitt die Naherholung zurückstehe: „Man muss ein paar Bereiche der Natur überlassen, sonst brauchen wir die Renaturierung nicht.“
Bloß habe die Stadt ihren Einfluss aufgegeben, indem sie 20 Hektar Land „leichtsinnig verkauft“ habe an die Stiftung, kritisiert Landwirt Klaus Gebb. „Falsch“, widerspricht der Bürgermeister. Die Pläne der Stiftung müsse die Stadt erst genehmigen. „Darüber muss noch diskutiert werden.“
Die Argumente scheinen letztlich die Kritiker einlenken zu lassen: Als „gangbarer Weg“ lobt Jürgen Dreschel die Idee. Und sein FW-Kollege Erwin Kraus als erklärter Gegner der Flussverlegung räumt ein: „Das wäre ein Kompromiss und könnte eine gute Lösung für die Karbener Bürger werden.“
Doch auf ungeteilte Freude stößt die Idee nicht. Bisher seien die Wege östlich der Nidda nur schwach frequentiert, erinnert Landwirt Gebb. „Viele Leute aber nehmen überhaupt keine Rücksicht auf die Natur.“ Passanten ließen Hunde frei durch die Wiesen laufen, wo Vögel brüteten und Hasen lebten.
Der Jäger, der seinen Hochsitz nahe der Nidda bei Rendel in Schuss hält, sieht das ebenso: „Dann laufen hier noch mehr Leute ’rum.“ Das zeige, wie wichtig es sei, dass die Renaturierung auch Flussabschnitte ohne Menschen vorsehe, findet Klaus Gebb: „Gut, dass die Natur hier Platz bekommt.“ (den)