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Würde und Anerkennung – Das Wort zum Sonntag

Kommen Sie sich manchmal klein vor? Klein gegenüber Ihrem Chef, Ihrem immer gut gelaunten Kollegen mit den vielen Freunden, dem erfolgreichen Vereinskollegen, dem alles gelingt, der Kindergartenmutter mit dem intakten, harmonischen Familienleben? Klein gegenüber Ihren Sorgen, Nöten, Ängsten? Dabei geht es einem ja oft gar nicht so schlecht, aber da ist diese Unzufriedenheit, die sich immer mal wieder meldet, mal mehr mal weniger stark, mal mehr mal weniger häufig. Wer kennt das nicht? Zachäus, dieser Zöllner, von dem Lukas in seinen Berichten über Jesus in der Bibel erzählt, der kannte das wohl auch. Der fühlte sich nicht nur klein, der war es auch tatsächlich. Und da halfen ihm auch seine berufliche Position, immerhin war er ein Chef der Zöllner, und auch sein vieles, mit nicht immer ganz redlichen Mitteln verdientes Geld, nicht darüber hinweg. Sie blieben letztlich nur klägliche Versuche, sich selbst etwas mehr Größe zu verleihen. Irgendwann merkt jeder Mensch im Leben, dass seine Stellung im Beruf, seine coolen Klamotten, sein ‚Off-Road‘-Gefährt – und wenn es noch so schön silbern glänzt – ihn nicht größer machen können. Spätestens dann, wenn sein Leben zu Ende geht, kommt der Mensch um diese Erkenntnis nicht mehr herum.

Solange wollte Zachäus allerdings nicht warten. Er ahnte doch, dass es da mehr geben muss. Dass es zufriedenes, sinnvolles Leben geben muss, unabhängig von dem, was ich bin und was ich habe, oder wie die äußeren Umstände gerade sind. „Ob vielleicht dieser Jesus, von dem ich doch an meiner Zollstation sitzend immer mal wieder so wunderbare Dinge gehört habe, und der immer wieder vom angebrochenen Reich Gottes spricht, ob der vielleicht eine Antwort weiß?“, so könnte es sich Zachäus gedacht haben. Und er machte sich auf, um sich diesen Jesus zumindest einmal anzuschauen. Aber selbst dabei wurde ihm sein kleiner Wuchs zum Hindernis. Die vielen Menschen ließen ihn einfach nicht zu Jesus durch und es machte ihnen wahrscheinlich sogar noch Spaß, dem alten Halsabschneider eins auszuwischen.

Und da ist Zachäus dann alles egal, er klettert auf einen Baum! Der feine, reiche Mann in seinen teuren Kleidern. Er steht zu seiner Schwachheit. Er steht dazu, dass er Hilfe sucht, selbst auf die Gefahr hin, sich vor allen anderen lächerlich zu machen. Und Jesus kommt, und er bleibt stehen, sieht zu ihm auf, spricht ihn mit seinem Namen an und fordert ihn auf hinunter zu kommen, um mit ihm zu essen.

Und in diesem Moment, in dieser vielleicht peinlichsten Situation im Leben des Zachäus, schenkt Jesus ihm alles, was dieser schon längst verloren geglaubt und wonach er sich so gesehnt hatte: Würde und Anerkennung. Und Jesus handelt genauso noch heute. Wenn Sie Jesus in Ihrer Bedürftigkeit suchen, im Gebet, im Bibellesen, im Gottesdienst, im Gespräch mit Christen, dann lässt er Sie nicht sitzen und schon gar nicht auf einem Baum, auf den Ihre Hilflosigkeit und Ihre Sehnsucht nach ihm Sie getrieben hat. Jesus wird kommen. Er wird stehenbleiben und Sie ganz persönlich ansprechen und geduldig darauf warten, dass Sie ihn aufnehmen, damit Sie das Leben finden, das Sie schon für immer verloren glaubten. Kommt Ihnen das lächerlich vor? Na und? Für den Zachäus hat es sich nun wirklich gelohnt. Und für Sie…?

Jörg Weise,

Prediger

der Landeskirchlichen

Gemeinschaft Heilsberg