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Wort zum Sonntag: Alt – und dennoch gut

Wann haben Sie das letzte Mal im Alten Testament gelesen? Der erste Teil der Bibel, der die Heilige Schrift der Menschen jüdischen Glaubens ist, strotzt nur so von starken und bunten Geschichten. Und während es im Neuen Testament darum geht, wie Jesus als Sohn Gottes den Menschen begegnet ist und wie diese seine frohe Botschaft vom Menschen liebenden Gott weitergetragen haben, handelt das Alte Testament von der Zeit davor. Es erzählt die Geschichten vom Anfang der Welt, von der Ansiedlung der Menschen im heutigen Israel.

Diese Texte sind vielen seit Kindertagen bekannt. Die Geschichte von der Erschaffung der Welt, zum Beispiel. Gott braucht sechs Tage, um Sonne, Mond und Sterne an den Himmel zu setzen. Dann trennt er Himmel, Land und Meer. Und schließlich setzt er Pflanzen, Tiere und auch den Menschen in eine paradiesische Welt. Oder die Erzählung von der Arche. Gott trägt dem Noah auf, ein großes Schiff zu bauen. Und Noah nimmt in dieser Arche ein Pärchen von jeder Tierart mit. Auf diese Weise rettet er das Leben auf der Erde durch die Sintflut hindurch. Gott wird hier als jemand vorgestellt, der sich leidenschaftlich um die Seinen kümmert. Auf ihn können wir vertrauen. Aber das ist nur die eine Seite des Alten Testaments. Es gibt auch andere Szenen, Geschichten, Erzählungen. In ihnen wird Gott als Rächer beschrieben, als Kriegsherr, als Eifersüchtiger. Bilder, die mit dem, was Jesus uns von Gott erzählt, nur schwer zusammenpassen. Und das ist einer von mehreren Gründen, warum in der evangelischen Kirche eine Diskussion darüber entbrannt ist, ob das Alte überhaupt gleichrangig neben dem Neuen Testament zur christlichen Bibel gehören sollte. Ausgelöst hat den Streit der Theologe Notger Slenczka in Berlin. 2013 stellte er in einem Aufsatz die Frage, ob der erste Teil der Bibel nicht einen anderen Stellenwert hat als der zweite. Seine Frage ist nicht neu, sie wurde im Laufe der Kirchengeschichte immer wieder gestellt. Und sie muss in jeder Zeit neu beantwortet werden. Wie aber könnte eine Antwort heute aussehen? Vielleicht so: Wir nehmen wahr, dass Gott im Alten Testament oft unverständlich beschrieben wird. Aber das entspricht auch unserem Glauben: Nicht alles an Gott ist immer verstehbar, nicht jedes Leid, nicht jedes Schicksal kann so einfach von einem liebenden Gott her erklärt werden. Dass wir Gott so ambivalent erleben, findet sich dann in den Texten der Bibel ganz wunderbar wieder.