Vor dem Fußballspiel für die eigene Mannschaft beten, an einen Sieg glauben, während sie den heiligen Rasen betritt und dann den Held des Spiels als Fußballgott feiern: Die christlichen Anleihen der Fußballsprache hat der „etwas andere Gottesdienst“ der evangelischen Kirchengemeinde in Rendel zum Thema gemacht.
Karben. Welches Thema passt besser in einen Gottesdienst in Zeiten der Fußball-Europameisterschaft? Natürlich hat sich der allmonatliche „etwas andere Gottesdienst“ in Rendel dem runden Leder gewidmet. Dazu ist nicht nur der Pfarrer der Kapelle der Commerzbankarena, Eugen Eckert, in die Rendeler Kirche gekommen, sondern auch Dragoslav Stepanovic, Ex-Trainer von Eintracht Frankfurt.
Nach einem kurzen liturgischen Einstieg und einem „We are the Champions“-Orgelvorspiel besteht dieser Gottesdienst zum größten Teil aus einer Podiumsdiskussion. Dabei stellen sich Eckert und Stepanovic sowie Ortsvorsteher Ehrhard Menzel (CDU) den Fragen von Stephan Kuger. Als Mitglied des Kirchenvorstandes gestaltet er den Gottesdienst. Diese vier setzen sich mit der Überlegung auseinander, wie viel „Göttlichkeit“ im Fußball akzeptabel sei.
Dabei dient ihnen der aktuelle Eintracht-Spieler Alex Meier als Beispiel, der von den Fans als „Fußballgott“ bezeichnet wird. Für Pfarrer Eckert ist dieser Ausdruck kein Problem: Da Maier die Eintracht vielfach mit seinen Toren aus verschiedenen brenzligen Situationen gerettet habe, sei es normal, dass die Fans nach Begrifflichkeiten suchten, die der emotionalen Größe des Moments entsprächen.
Doch auch um den Umgang mit Tiefschlägen geht es den Diskutierenden. Passend dazu erzählt „Stepi“ Stepanovic Anekdoten aus dem Jahr 1992 – einem Jahr, das Eintracht-Fans bis heute schmerzlich in Erinnerung ist. Damals verspielte die Eintracht durch eine Niederlage am letzten Spieltag die Meisterschaft. In einer Stimmung der verzweifelten Enttäuschung war es schließlich Stepi, der mit den legendären Worten „Lebbe geht weider“ wohltuenden Lebensmut versprühte. „Meine Mutter hat immer gesagt, für jedes Problem gibt es eine Lösung, du musst sie nur finden“, erklärt Stepi in bestem hessisch-serbischen Dialekt. „Und wenn du nicht schnell genug bist: Lebbe geht weider.“
Viele der Kirchenbesucher haben Fragen. Einer möchte von Stepi wissen, ob er verzeihen könne. Dabei bezieht es sich auf den Schiedsrichter, der damals mit einer eklatanten Fehlentscheidung die Niederlage mit besiegelte.
Der Schlüssel zum Glück liegt für Stepi, der bestens aufgelegt die Gemeinde vielfach zum Lachen bringt, in der Selbstbetrachtung: „Wir hatten 90 Minuten, um Geschichte zu schreiben, danach kann man nichts mehr verändern.“
Seine Spieler habe er damals gefragt: „Was weint ihr jetzt? Ihr hattet genug Zeit, um zu gewinnen.“ Nach einer Stunde des unterhaltsamen Gesprächs endet der Gottesdienst schließlich mit Fürbitten, ehe alle zur Orgelbegleitung die Eintracht-Vereinshymne „Im Herzen von Europa“ singen.