Bad Vilbel. Handwerk und Handel werben angesichts rückläufiger Schulabgängerzahlen händeringend um Lehrlinge. Zu Beginn des neuen Ausbildungsjahres melden die Arbeitsagenturen 108 500 freie Stellen – aber noch 152 600 unversorgte Bewerber. Wir haben uns in Betrieben umgehört.
Nach Jahren des Rückgangs gibt es im Handwerk erstmals bundesweit wieder mehr Lehrstellen. Aber auch Industrie, Handel, Banken und Versicherungen melden im Westen ein leichtes Plus bei den Neuverträgen – im Osten dagegen ein Minus. Die Botschaft der Kammern an die Jugendlichen: In fast allen Branchen und Berufen gibt es noch freie Angebote.
Auch der Bad Vilbeler Elektroanlagenbauer Grau hat noch einen Ausbildungsplatz frei. „Wir suchen einen Elektroinstallateurlehrling“, sagt Geschäftsführer Stefan Reuter. Er sollte einen Realschulabschluss haben, motiviert sein und gute Noten in Mathe und Physik mitbringen. Dafür winkt eine Ausbildung, die neben dem Steuerungsanlagenbau auch Kenntnisse für PC-Netzwerke vermittelt. Bei bestandener Lehre ist dem Azubi eine feste Stelle sicher, verspricht Reuter, die Branche sei krisensicher: „Strom – den braucht jeder.“ Außerdem „weiß man bei eigenen Auszubildenden, was man hat.“ Dennoch sucht der Elektriker schon seit Jahresbeginn vergebens nach Nachwuchs. Oft hapere es schon an den Deutschkenntnissen. Bei den Hauptschülern, die sich beworben hätten, habe einfach das Hintergrundwissen gefehlt, berichtet der Handwerker. Er bemerkt, dass die Kommunikation in vielen Elternhäusern schwieriger geworden sei, mit dem Resultat: Die Erziehung werde der Schule und dem Lehrbetrieb überlassen.
Nachwuchssorgen hat auch die Event-Agentur Novum. „Unsere Kollegin braucht dringend Unterstützung von einer Veranstaltungskauffrau“, erklärt Prokurist Patrick Himmelhaus von der Bad Vilbeler Firma Novum Event Service. Sie soll Veranstaltungen planen, kalkulieren und verkaufen können.
Voraussetzungen für die Azubistelle seien Abitur, Führerschein Klasse B, technisches Verständnis und Wissensdurst. Eine Übernahme sei bei guter Qualifikation kein Problem, verspricht Geschäftsführer Daniel Puck: Dennoch suchen die Vilbeler schon seit Jahresanfang nach einer neuen Kollegin und sind von so manchen Bewerbungen überrascht. Manche fragten erst mehrfach an, ob sie sich bewerben dürften. Andere schickten ihre Eltern vor, und ein Interessent habe gar als Qualifikation genannt: „Ich habe schon mal Party gemacht!“, erinnert sich der Chef. (zlp)