Die Nidda-Renaturierung südlich von Klein-Karben ist abgeschlossen, die Bagger sind abgezogen. Fertig aber ist das Gelände noch lange nicht.
Karben. „Wie frisch vom Frisör“ werde das Areal der Nidda-Renaturierung aussehen, wenn es gerade fertig sei. Das hat der Planer des Projekts südlich von Klein-Karben, der Bad Vilbeler Gewässerökologe Gottfried Lehr, stets vorhergesagt.
Der Mann behält Recht. Braun und kahl gähnen die Nidda-Wiesen dem Betrachter entgegen. „Natürlich ist das fürs Auge erst schön, wenn es grün ist“, sagt Lehr.
Das werde ganz schnell gehen: Dieser Tage werde eine Wiesenmischung eingesät, abgestimmt mit der Unteren Naturschutzbehörde des Wetteraukreises. „In sechs Wochen ist dort alles grün“, sagt Lehr.
Natur braucht Zeit
Diverse solcher Projekte hat Gottfried Lehr in den vergangenen zwei Jahrzehnten schon geplant und betreut, einige auch – wie in Klein-Karben – für die Frankfurter Gerty-Strohm-Stiftung. Er weiß: Die Natur braucht Zeit. „In drei Jahren ist der Fluss wieder stärker eingewachsen.“
Der künstliche Eingriff, der dem Fluss zu altem Aussehen verhilft, sei für die Flora und Fauna nicht schädlich. „Hier ist nichts anderes passiert als bei einem Hochwasser oder Erdrutsch“, sagt Gottfried Lehr. Sehr schnell würden Tiere und Pflanzen die neuen Bereiche wieder besiedeln.
Nicht nur sie, sondern auch die Menschen müssen sich die Areale neu erobern. Allerdings klafft im Niddaradweg noch immer eine Lücke. Denn dieser wurde weggebaggert, an seiner Stelle verläuft der neue, kurvige Hauptstrom der Nidda. Der neue Weg soll auf der Krone des Damms entstehen, die den großzügigen Überflutungsbereich umschließt. Längst ist das Wetter schön, doch Radler, Spaziergänger und Inlineskater werden noch immer auf die Umleitung via Karbener Weg über Industriegebiet und Dortelweil verwiesen. „Wir stehen in den Startlöchern“, erklärt Ekkehart Böing, Geschäftsführer des Zweckverbandes Niddaradweg aus dem Karbener Rathaus.
Die Planungen seien fertig, bloß auf den Fördermittelbescheid vom Land warte man noch. Wohl im Sommer, schätzt Planer Böing, könne der neue Weg entstehen.
Darauf freut sich allerdings nicht jeder. Schon seit Vorstellung der Pläne begleitet der stellvertretende Ortsvorsteher von Klein-Karben, Jürgen Dreschel von den Freien Wählern (FW), die begrüßte und gewollte Renaturierung kritisch. Ihn stört, dass 700 von 1000 Metern des Areals der Natur vorbehalten bleiben sollen und Menschen nicht an den Fluss dürfen. „Dass Naherholung und Naturschutz nicht zueinanderpassen, ist Quatsch“, findet Dreschel.
Er wolle nahe am Fluss entlang spazieren oder radeln und nicht – wie zwischen Gronau und dem Dortelweiler Golfplatz – auf eine Radautobahn zwischen den Feldern, weit jenseits der Fluss-Natur, verbannt werden. Die heutige Situation zeige, dass genau solch eine Piste nun auch auf dem Klein-Karbener Abschnitt entstehe.
Die Natur brauche Bereiche, in denen sie sich ungestört von Menschen oder badenden Hunden entwickeln könne, meint Planer Gottfried Lehr. Zusammen mit der auf 1,5 Kilometer Länge geplanten Renaturierung auch im Stadtgebiet werde viel mehr Fluss für die Menschen zugänglich gemacht als abgeschottet, betont die Stadt: Auf rund 70 Prozent der Gesamtstrecke werde der Fluss für die Bürger erstmals seit der Kanalisierung erreichbar.
Neuer Rundweg
Jürgen Dreschel drängt nun darauf, dass wenigstens auf der anderen, östlichen Uferseite ein neuer Rundweg am Niddaufer entstehe. Diese Idee stammt aus dem Ortsbeirat. Eine kleine Brücke für Fußgänger und Radfahrer über den Altarm könne hier eine Lücke schließen, wirbt Dreschel. „Es ist noch etwas zu retten.“ (den)