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»Wir haben ein 10-Millionen-Problem«

Am Ostrand von Petterweil ist der neue Kindergarten im Rohbau fast fertig. Im Juni können die Jungen und Mädchen dort einziehen, hofft Bürgermeister Guido Rahn. Foto: Nissen
Am Ostrand von Petterweil ist der neue Kindergarten im Rohbau fast fertig. Im Juni können die Jungen und Mädchen dort einziehen, hofft Bürgermeister Guido Rahn. Foto: Nissen

Karben. Hofhüpfer, Glückskinder, Himmelsstürmer und Wirbelwind – die Karbener Kitas haben schöne Namen. Doch für die Stadt wird das fröhliche Getümmel in den elf Häusern zur Kostenfalle. Magistrat und Stadtverordnete greifen zur Notbremse: Eltern sollen fortan stets ein Fünftel aller Kosten zahlen – unabhängig von ihrem Einkommen. Das Gebühren-System ändert sich im Januar massiv. Für die meisten Eltern wird es etwas teurer – die Reichsten zahlen aber punktuell ein bisschen weniger.
Kurz vor 19 Uhr bekam Thomas Görlich am Dienstag Bauchschmerzen. In der Sitzung des Jugend- und Sozialausschusses ließ sich der SPD-Stadtverordnete gerade das neue Kita-Gebührensystem vorstellen. Den ganzen Montagabend hatte der Magistrat darüber gebrütet. Zahlreiche bunte Tabellen warf der Projektor nun an die Wand. Da begannen die Schmerzen. »Es ist eine schräge Nummer«, sagte er, »wenn Besserverdienende entlastet werden.«
Bisher zahlen die Eltern der rund 850 Kita-Kinder nach ihrem Einkommen gestaffelte Gebühren. Wer weniger als 36 000 Euro im Jahr verdient, muss für die Betreuung von 8 bis 16 Uhr beispielsweise 22,73 Euro im Monat bezahlen. Wer mehr als 96 000 Euro Jahreseinkommen hat, berappt dagegen 45,47 Euro. Ab dem 1. Januar gilt ein Einheits-Beitrag für diese Betreuungszeit: 46,88 Euro sind dann für alle Eltern fällig, schlägt der Magistrat vor.
Die neu kalkulierten Kita-Gebühren treten zum 1. Januar 2025 in Kraft. Das Stadtparlament beschloss dies am Freitag bei fünf Gegenstimmen.
Etwa ein Drittel der Kita-Eltern liegt laut Bürgermeister Guido Rahn in der höheren Einkommensgruppe derer, die um die 100 000 Euro und mehr im Jahr verdienen. Sie zahlen künftig weniger, wenn ihre Kinder auch in Randzeiten eine der elf städtischen Kitas besuchen. Im Extremfall, beim Kita-Besuch von 7 bis 17 Uhr, sind es bis zu 16,87 Euro Ersparnis. Denn die Gebühr für diese Maximalbetreuung wird für Arm und Reich auf 102,04 Euro im Monat festgelegt.
Bürgermeister Rahn zeigte am Dienstag Verständnis für die Bauchschmerzen des Sozialdemokraten Görlich. Doch die Vorteile des neuen Gebührensystems seien größer als dieser kleine Makel. Die Verwaltung habe es leichter, weil sie nicht mehr so viele Einkommensbescheide prüfen müsse. Das neue System verhindere, dass die Kosten aus dem Ruder laufen. Von 8 bis 15 Uhr ändern sich die Gebühren je nach Einkommen zwischen 12,07 mehr und 1,19 Euro weniger je Kind und Monat.
530 Euro reale Kosten pro Kita-Platz
Für Kinder über drei Jahre zahlen die Eltern wenig, weil das Land Hessen die Betreuung mit 146,45 pro Kopf und Monat subventioniert.
Allerdings liegen die realen Kosten für einen Kindergartenplatz laut Rahn bei 530 Euro. Die Stadt zahle auch nach Einführung des neuen Gebührensystems den Löwenanteil der Kinderbetreuung. 2020 gab sie noch 7,1 Millionen dafür aus, in diesem Jahr 11,34 Millionen. Und 2025 dürften es 11,6 Millionen werden. »Wir haben ein Zehn-Millionen-Problem«, klagte der Bürgermeister.
Für die Kinder unter drei Jahren bleibt es bei einkommensabhängigen Gebühren. Die Betreuung ist hier teurer – die realen Kosten liegen laut Stadtverwaltung pro Platz und Monat bei 1768 Euro für die Betreuungszeit zwischen 8 und 15 Uhr. Ab Januar zahlen U3-Eltern mit geringem Einkommen 277, Eltern mit mehr als 120 000 Euro Jahreseinkommen dagegen 600 Euro im Monat. Die Kostensteigerung liegt zwischen 86 und 185 Euro.
Randzeiten-Betreuung besonders teuer
Besonders teuer ist laut Rahn die Kinderbetreuung von 7 bis 8 Uhr und nachmittags zwischen 16 und 17 Uhr. Denn dann müssten in der Kita mindestens zwei Erzieher sein, selbst wenn dort nur ein Kind spiele.
Das neue Gebührensystem sieht für alle Kids, die in den Randzeiten betreut werden, einen Zuschlag von zehn Euro im Monat vor. Außerdem wolle man deren Betreuung in wenigen Kindergärten konzentrieren.
Die neuen Gebühren sollen 2026 und 2027 automatisch so stark angehoben werden wie die Gehälter des Personals in den Kitas. Danach wollen Verwaltung und Stadtparlament prüfen, ob sich das neue System bewährt.
Spätestens Ende November muss die neue Gebührensatzung stehen, damit sie zu Neujahr in Kraft treten kann. Rahn bot dem Sozial- und Jugendausschuss noch eine Sondersitzung an, damit er sich mit der komplizierten Materie befassen kann.
Laut Bürgermeister Guido Rahn (CDU) gilt fortan eine Rabattregel für Eltern mit geringem Einkommen: Wenn der Wetteraukreis ihre Kita-Gebühren nicht bezuschusst, können die Eltern auf Antrag eine Ermäßigung bekommen, informierte Rahn am Freitag in der Stadtverordnetenversammlung.
Von Klaus Nissen