Bad Vilbels Stadtregierung aus CDU und FDP hat Großes vor und hofft, dass die Opposition diesmal mitzieht. Wenn die Mehrheit des Stadtparlamentes es will, könnte in wenigen Jahren auf Vilbeler Erden das „Paradies“ Wirklichkeit werden. Glückliche Menschen unter echten Palmen, Spaß, Sport und Freizeitvergnügen sollen die Vilbeler und darüber hinaus auch die hessische Welt verändern. Mit Gottes und der Gremien Hilfe könnte schon Ende dieses Jahres in der Quellenstadt der Grundstein zu einem der attraktivsten und modernsten Kombibäder der Republik gelegt werden. Bauzeit: Gut anderthalb Jahre.
Bad Vilbel. Um schon mal einen Vorgeschmack auf die Zukunft zu bekommen, hatten die Stadtväter Kommunalpolitiker, Vertreter von Vereinen und Schulen sowie der Presse zur „Klassenfahrt“, so Stadtrat Klaus Minkel (CDU), eingeladen, um bei dieser Gelegenheit „Grundlagenforschung“ zu betreiben und sich viele authentische Bilder zu machen, von dem, was heute an Sport- und Freizeitvergnügen denk- und machbar ist. 34 Personen nutzten diese Chance, opferten ihre samstägliche Freizeit für diese Erkundungstour und stiegen am Kurhaus in den modernen Reisebus. Nach Sinsheim ging die Fahrt.
Überlegungen im Bus
Bürgermeister Dr. Thomas Stöhr und CDU-Stadtrat Klaus Minkel, 1. Werkleiter der Stadtwerke (Immobilien), begrüßten per Busmikrofon die Gäste, fungierten auf der Hinfahrt als Reiseleiter, erklärten Ziel und Aufgaben der Informationsfahrt, schilderten die bedenklichen Zustände in dem arg überalterten Vilbeler Freibad aus den 30 Jahren des vorigen Jahrhunderts und dem Hallenbad mit einer heillos veralteten Technik, stellten Überlegungen an, wie es in diesem Bereich in Bad Vilbel weitergehen könnte und sollte, denn es besteht – und daran zweifelte niemand im Bus – akuter Handlungsbedarf.
Außer für Defizite taugt das hiesige Hallenbad, ein Nachkriegswerk, im Grunde genommen für nichts Gescheites mehr. Eine teure Sanierung wäre die kaufmännisch und kommunalpolitisch schlechteste Lösung, denn auch das in die Jahre gekommene Freibad ist keine Visitenkarte mehr, auf die man als Bad-Stadt noch stolz sein könnte. Daher tendieren alle politischen Fraktionen zu einer tiefgreifenden Erneuerung der Bad Vilbeler „Bäderwelt“. Ihnen schwebt ein modernes, anziehendes Kombibad vor, in dem hoher Freizeitwert, Spiel und Spaß mit sportlichen Aktivitäten gleichermaßen unter einem Dach, auf einem Gelände ermöglicht werden sollen.
Was die „Ausflügler“ in der Sinsheimer „Thermen- und Bäderwelt“ der Unternehmensgruppe Wund zu sehen bekamen, sprengte manche Erwartungen. Ausgeklügelte Architektur, türkisfarbenes Wasser und Südsee-Flair unter einem riesigen Cabrio-Dach, ein Spa-Juwel für Wellness und Massagen, wo man sich nach Strich und Faden und Geldbörse entspannen und verwöhnen lassen kann.
Maßstäbe setzten schon die Eingangshalle und der Umkleidebereich. Superduschen in grauem Marmor, große Spiegel und griffbereite Haartrockner in jeder Kabine, Furniermöbel in elegantem Dunkelorange, überall Glanz und Sauberkeit, elegante Wachbecken.
Saunen und staunen
Aber der Besucher kommt aus dem Staunen nicht raus. Neun themenbezogene Saunen für Nutzer über 16 Jahren in einem traumhaften Ambiente versprechen erlebnisreiche Stunden, begonnen bei der Koi-Sauna mit faszinierendem Blick auf schillernde Koi-Fische bis zur maurisch gestalteten Alhambra-Sauna oder eben der Kino-Sauna mit großem Bildschirm. Eleganz, feine Ausstattung und überlegte Großzügigkeit in der räumlichen Gestaltung sind prägende Elemente. Da ist nichts dem Zufall überlassen, nicht einmal in dem beeindruckenden Ruheraum mit den vielen Kissen. Alles lichtdurchflutet und in hellen Farben gestaltet, wie man es sich schöner kaum vorstellen kann. Und hungern muss in diesem tropischen Freizeitparadies auch niemand, denn es gibt nicht nur einen verführerischen „Eva-Apfel“, sondern eine Poolbar mit exotischen Getränken, aber auch zwei Restaurants, „Paradiso“ und „LivingGarden“, wo man kulinarische Genüsse aus aller Welt offeriert. Und aus den Logen des Sauna-Ruhebereichs blickt man in eine exotische, von weit über 400 echten Palmen geprägte Traumwasserwelt mit Südsee-Feeling pur. Bei Schönwetter und Sonne wird das Cabrio-Dach eingefahren, und man sonnt und vergnügt sich unter blauem Himmel auf den vielen Liegen, als läge man in Gottes Schoß.
Es fehlt freilich auch das 25-Meter-Schwimmbecken nicht mit einer Wassertemperatur von 26 Grad und sechs Schwimmbahnen (in Vilbel sollen es acht werden). Sinsheim ist eine bestechende Badelandschaft mit Stil, ohne Frage. 270 Mitarbeiter sorgen in zwei Schichten für reibungslosen Betriebsablauf, und das an 365 Tagen im Jahr, wie Unternehmer und Architekt Josef Wund (75) stolz hervorhebt.
Kenner im Geschäft
Er ist kein Novize in diesem Geschäft, sondern hat seit 14 Jahren Erfahrungen gesammelt, betreibt ähnliche Bäder in Erding, Bad Wörishofen und im Schwarzwald, wurde dreimal als bayrischer Top-Unternehmer ausgezeichnet.
Rund 600000 vergnügungsfreudige Badegäste kamen allein schon im ersten Jahr, die Einnahmen beliefen sich laut Unternehmensangaben auf 7,5 Millionen Euro (EBITDA), das Bad in Erding wirft bei 1,5 Millionen Gästen im Jahr sogar 27 Millionen Euro (EBITDA) ab. Kein Wunder, dass Josef Wund, der bei solchen Einnahmen vor Ort auch ein potenter Steuerzahler ist, wie er betonte, und die Stadt Sinsheim bereits nach dem ersten Betriebsjahr die Erweiterung planen. Das Wund-Konzept hat bislang an allen Standorten „eingeschlagen“, Die Badegäste kommen daher nicht nur aus der unmittelbaren Region, sondern auch aus einem Einzugsbereich von 100 bis 150 Kilometer, um schöne Stunden in der spektakulären Karibik-Umgebung zu verbringen.
Soziale Ader
Josef Wund, Architekt und auch Betreiber der Bäder, stammt aus armen Verhältnissen, hat sechs Geschwister, beim Vater waren es sogar elf Geschwister. Seine soziale Ader soll auch in Bad Vilbel pulsieren, versicherte er: „Das bringt uns doch nicht um!“, kommentiert der Erfolgsunternehmer. Von kinderreichen Familien erhält in Bad Vilbel das dritte und jedes weitere Kind freien Eintritt in den Galaxy-Bereich, für Kinder und Jugendliche aus Bad Vilbel gibt es Zutritt zum Freibad, einschließlich der großen Galaxy-Rutschenwelt, zum Sonderpreis von 1 Euro über dem Eintritt des „Sozial-Hallenbades“, den die Stadt Bad Vilbel selbst festlegt. Die Eintrittspreise für Personen ab 16 Jahren beginnen bei 13 Euro für anderthalb Stunden, die Tageskarte kostet 25 Euro.
„Komplexes System“
Beeindruckend ist jedoch nicht nur diese „Fassade“, die dem Auge des Besuchers allüberall schmeichelt, sondern auch die auf ökologische Parameter getrimmte Technik im Hintergrund: kräftige Pumpen mit leistungsstarken Filtern, die diese gewaltigen Wassermassen alle 20 Minuten umwälzen und reinigen, das Blockheizkraftwerk, das 80 Prozent des gesamtes Strombedarfs erzeugt – Gesamtwirkungsgrad 93,1 Prozent der Primärenergie (üblicher Wirkungsgrad bei Stromerzeugung ca. 25 bis 38 %).
Der Energiebedarf des Gebäudes beläuft sich auf lediglich 250,1 kWh/m²/pro Jahr, das macht gerade mal 47 Prozent des gesetzlich vorgeschriebenen Anforderungswertes aus. „Das gesamte Gebäude ist durch seine gläsernen Dächer und Fassaden ein gigantischer Solarwärme-Kollektor“, erklärt Architekt Wund. Und die Wurzeln jeder einzelnen Palme werden durch computergesteuerte Instrumente beobachtet, die Alarm schlagen, wenn Feuchtigkeitsderegulierungen oder Gefahr für Pilzbildungen im Wurzelwerk entstehen. „Das ist alles schon ein sehr komplexes System“, kommentiert Josef Wund und exemplifiziert es sogleich bildhaft am fragilen Wechselspiel zwischen Pflanze und Mensch bei der Kohlendioxid-Produktion und dem Kohlendioxid-Verbrauch.
Wunschkonzert
In einer abschließenden Zusammenkunft beantworteten Unternehmer Wund, der Chef der Sinsheimer Stadtwerke und der Prokurist des Unternehmens geduldig alle Fragen ihrer Bad Vilbeler Gäste, einschließlich zur geplanten Nutzung des Vilbeler Mineralwassers, schilderten die Unternehmensphilosophie, beschrieben ihr Konzept für die Quellenstadt, wo man qualitätsmäßig noch eine Schippe zulegen will. „In Bad Vilbel wollen wir Klasse, nicht Masse, denn für Masse wäre die Stadt zu klein!“, betonte Unternehmer Wund.
Am Ende der „Klassenfahrt“ verteilte Minkel noch an die Mitreisenden grüne Din-A4-Blätter, auf die jeder für die Sitzung am Montag danach Wünsche und Anregungen notieren möge. „Nicht alle Wünsche können wahr werden, aber es soll zumindest die Chance geben, alle Wünsche zu prüfen!“, waren sich Stadtrat Minkel und Rathauschef Stöhr einig.