Die schreckliche Mordtat in Norwegen an vielen unschuldigen Menschen und die Terroranschläge vor 10 Jahren in den USA lassen mich an die Gräueltaten in den Konzentrationslagern denken. Morden, Abschlachten – wofür? Und die Frage bei den Überlebenden und Hinterbliebenen taucht wieder auf: Gott, wo bist du gewesen? Warum hast du diese sinnlose Tat nicht verhindert? Die Mörder müssen doch nun ihrer gerechten Strafe übergeben werden. Nur: Was heißt das? Jedenfalls kann die böse Tat damit auch nicht rückgängig gemacht werden. Wie also können wir mit dem Bösen in der Welt, auch in der persönlichen Erfahrungswelt, so umgehen, dass wir trotzdem an eine gute Zukunft denken können?
Überzeugend und richtungsweisend klingen für mich da aber die Sätze eines jüdischen Gebetes aus einem Konzentrationslager: „Friede sei den Menschen, die bösen Willens sind, und ein Ende sei gesetzt aller Rache und allem Reden von Strafe. (…) Aller Maßstäbe spotten die Gräueltaten, sie stehen jenseits aller Grenzen menschlicher Fassungskraft, und der Blutzeugen sind gar zu viele (…) Darum, o Gott, wäge nicht mit der Waage der Gerechtigkeit ihre Leiden, dass Du sie ihren Henkern zurechnest und von ihnen grauenvolle Rechenschaft forderst, sondern lass es anders gelten. Schreibe vielmehr den Henkern und Verrätern und allen schlechten Menschen zugut und rechne ihnen an: all den Mut und die Seelenkraft der anderen, ihr Sichbescheiden, ihre hochgesinnte Würde, ihr stilles Mühen bei alledem, die Hoffnung, die sich nicht besiegt gab, und das tapfere Lächeln, das die Tränen versiegen ließ, und alle Liebe und alle Opfer. Alles das, o mein Gott, soll zählen vor Dir für eine Vergebung der Schuld. Und für die Erinnerung unserer Feinde sollen wir nicht mehr ihre Opfer sein, nicht mehr ihr Alpdruck und Gespensterschreck, vielmehr ihre Hilfe, dass sie von der Raserei ablassen, dass wieder Friede werde auf dieser armen Erde über den Menschen guten Willens.“ Was soll ich da noch hinzu fügen? Ja doch, der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, möge uns allen die Kraft geben, mit dem Bösen in der Welt so zu leben, dass wir es mit dem Guten besiegen können (Römerbrief).
Pfarrer Matthias Gärtner,
Evangelische Kirche Dortelweil