„Na, ja, wir begrüßen zum Beispiel Deinen Kommentar, wie Du das Lunch in der Kantine fandst, oder das neue Gerät im Fitnesscenter, egal was. Einfache Bewertungen und Likes und Kommentare. Nichts Ungewöhnliches. Jeder Beitrag ist für uns eine Hilfe, unsere Arbeit in der Community zu verbessern.“ (aus „Der Circle“)
Und wie wird die neue Lehrerin bewertet? Und die Ferienwohnung vom Urlaub in Spanien? Oder die größte „Worscht in Town“?
Die ersten Schultage sind gerade geschafft und die Zeugnisse wurden den Lehrern gezeigt mit der Unterschrift der Eltern. Die Zensuren sind einigermaßen verdaut und die guten Vorsätze für das nächste Halbjahr lassen eine gewisse hoffnungsvolle Stimmung aufkommen. Doch mir scheint, dass diese Bewertungen durch die Schule immer mehr in den Hintergrund treten zu dem, wie die Internet-Community uns bewertet. Der Kinofilm „Circle“ bringt zurzeit auf den Punkt, was viele bereits seit Jahren im Internet erleben: Die totale Transparenz mit möglichst vielen Bewertungen durch alle, die an den sozialen Netzwerken teilnehmen, soll zu einer besseren Welt führen. Daumen nach oben oder Daumen nach unten? Was die einen erfreut, wird zum Leid für die anderen.
Das Leben wird in Noten und Bewertungen eingeteilt. Entweder zwischen eins und sechs, zwischen einem und fünf Sternen oder 0 bis 100 Prozent. Der Mausklick ist schnell getätigt und die persönliche Empfindung wird schnell zur Wahrheit, die für alle gilt. Aber wie kann man Kunst, Musik oder Religion in Zensuren zwängen? Warum soll aus einem schlechten Tag der Sprechstundenhilfe gleich eine schlechte Arztpraxis werden? Und ist die Note 2 eines weniger begabten Schülers, der für die Mathearbeit viel gelernt hat, und bei dem große Fortschritte zu erkennen sind, nicht ungerecht im Vergleich zu der 2 des hochbegabten Schülers, der lustlos seine Zahlen hingeknallt hat und noch viel Besseres hätte leisten können?
Noten und Bewertungen gehen am Menschen vorbei, wenn Teilaspekte zur absoluten Wahrheit erhoben werden. Sympathisch ist mir Jesus mit seinen Beispielen, wo Menschen ohne Bewertungen gut leben können: Beim Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg bekommt jeder so viel, dass er seine Familie ernähren kann, egal wie er sein Arbeitspensum geschafft hat: ohne Likes oder Frowns.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein „entspanntes“ Wochenende ohne den Blick auf Bewertungen im Netz. Aber: im persönlichen Gespräch geht Lob, Dank und konstruktive Kritik immer. Das ist segensreich.
Herzlichst Ihr
Eckart Dautenheimer
Evangelischer Pfarrer in
Burg-Gräfenrode und Okarben