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Widerstand in Gedichte gegossen – Horst Samson las beim kulturellen Egerländer-Stammtisch aus „La Victoire“

Bad Vilbel. Einmal im Monat laden die Egerländer und ihre Freunde ins Restaurant des „Quellenhofs“ zum kulturellen Stammtisch ein. Beim Treffen am 20. März begrüßte Veranstalter Herbert Kaiser den Schriftsteller und Journalisten Horst Samson zu einer Lesung aus „La Victoire“, einem Poem über die Widrigkeiten des Lebens in der Diktatur, über Macht und Ohnmacht der Sprache – eine Ästhetik des Widerstands in Versen.

Die Abreise aus der Heimat ins Ungewisse unter Aufgabe jeglicher existenzieller Sicherheit schildert er in dem Gedicht „Die letzten Stunden im Grenzbahnhof Curtici“. Dessen erste Verse lauten: „Die letzten Stunden im Grenzbahnhof Curtici / Haben kein Ende. Die Sätze sind verstummt, / Ausgebrannt. Die Zuikaflasche / Leer. März zersägt die Nacht / In Stücke, die nie mehr zueinander passen werden. Auf Gleis 1 steht der Zug, wird durchsucht / Von Soldaten und Hunden, wird bewacht / Von Soldaten und Hunden. Der Zöllner hat die Koffer / Durchwühlt. Die Schreibmaschine / Ist abverlangt und beschlagnahmt, / Die Manuskripte, die Sprache. Macht euch / Fertig, befiehlt ein Offizier…“

Das Publikum im Quellenhof hat das Abschiednehmen müssen aus der Heimat so oder ähnlich selbst erlebt und konnte daher den Schmerz des Autors gut nachempfinden. Dieses und die anderen Gedichte stammen aus dem sechsteiligen, insgesamt 59 Gedichte enthaltenen Lyrikband ,,La Victoire. Ein Poem“.

„La Victoire“ („Auf den Sieg!“) – das Losungswort der Mächtigen – marschiert „wie ein Soldat / Aus Eisen, Blut und Rost“, es gehorcht der Gewalt, feiert Willkür und Terror, erhebt die Lüge zum Ordnungsprinzip. Unter solcher Flagge gedeihen Größenwahn- und Vernichtungsfantasien der nationalkommunistischen Diktatur.“ Verarbeitet hat der Autor seine prägenden Erfahrungen aus der Ceausescu-Epoche, die Emigration und den Widerstand sprachlich präzise in den Gedichten. Viele thematisieren Flucht, Verfolgung, Angst, Trauer, Verlust und Hoffnungslosigkeit eines Lebens in der Diktatur. Was man Glück nennt, das spielte sich vor allem hinter verschlossenen Türen ab, im Privaten.

Geboren wurde der mehrfach ausgezeichnete Repräsentant der rumäniendeutschen Literatur im Juni 1954, während der Deportation seiner Eltern in der Baragansteppe. Aufgewachsen ist Samson im Dreiländereck Rumänien, Jugoslawien und Ungarn, im Banater Dorf Albrechtsflor. In der Banater Metropole Temeswar (wo 1989 die Revolution gegen das Ceausescu-Regime ausbrach) gehörte er der Leitung des deutschen Literaturkreises „Adam Müller-Guttenbrunn“ an. Nach Protesten musste wurde er vom Geheimdienst Securitate mit dem Tode bedroht und verließ 1987 das Land.

Infos zum Autor und seinem Werk im Internet, unter: www.horstsamson.de.