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»Wider den undeutschen Geist«

Die Naturfreunde Horst Seißinger, Eberhard Seipp und Norbert Nakoinz haben die Ausstellung »Gegen das Vergessen - 90 Jahre Bücherverbrennungen« vorbreitet. Sie wird am 9. Mai in der Stadtbibliothek eröffnet. Foto: Fauerbach
Die Naturfreunde Horst Seißinger, Eberhard Seipp und Norbert Nakoinz haben die Ausstellung »Gegen das Vergessen - 90 Jahre Bücherverbrennungen« vorbreitet. Sie wird am 9. Mai in der Stadtbibliothek eröffnet. Foto: Fauerbach

Bad Vilbel. Die Naturfreunde Bad Vilbel zeigen in Zusammenarbeit mit der Stadtbibliothek vom 9 bis 26. Mai die Ausstellung »Gegen das Vergessen – 90 Jahre Bücherverbrennungen«. Gefördert wird die durch Vorträge, Diskussionen, Plakate und Filme ergänzte Ausstellung vom Wetteraukreis mit Mitteln aus dem Programm »Demokratie leben!« des Bundesfamilienministeriums und kofinanziert vom Land Hessen.
Unterdrückung
der freien Meinung

Im Land der Dichter und Denker loderten auf öffentlichen Plätzen vor 90 Jahren Feuer. Gespeist wurden die Flammen ab dem 10. Mai 1933 bis in den Juni hinein mit Tausenden Büchern aus öffentlichen und privaten Bibliotheken. Geschrieben haben sie mehr als 300 Philosophen, Wissenschaftler, Lyriker, Romanciers und politische Autoren, darunter viele jüdische Schriftsteller und Wissenschaftler. Zu ihnen gehörten die Werke bekannte Autoren wie Erich Kästner, Kurt Tucholsky, Carl von Ossietzky, Heinrich Mann, Anna Seghers, Else Lasker-Schüler, Erich Maria Remarque, Sigmund Freud, Alfred Kerr, Stefan Zweig und Walter Benjamin.
Die Bücherverbrennungen bildeten den Höhepunkt der vierwöchigen Aktion »Wider den undeutschen Geist«, die am 12. April mit der Veröffentlichung von zwölf Thesen begann. Ziel der Aktion: Die Vernichtung des »deutsch-jüdischen Geisteslebens«. Die Naturfreunde erinnern nun 90 Jahre danach an die Aktion, die ein erster Triumph für die Politik der Gleichschaltung und Unterdrückung der freien Meinung war.
»Viele Naturfreunde wie auch ihre Familien und Angehörige waren in der NS-Zeit von Verfolgungen betroffen«, blickt Horst Seißinger zurück.
Zehn Jahre vor den Bücherverbrennungen, 1922, hatte sich die Ortsgruppe Bad Vilbel der Naturfreunde gegründet. »Fünf Jahre später, 1927, haben die südhessischen Naturfreunde das alte Naturfreunde-Haus am Glauberg gekauft. Verwaltet haben es die Naturfreunde Bad Vilbel«, informiert Vorsitzender Norbert Nakoinz. 1933 wurde das Naturfreunde-Haus durch die örtliche Hitlerjugend geplündert, die Naturfreunde deutschlandweit verboten und das Vereinsvermögen eingezogen.
Die bedrohte
Freiheit des Geistes

Seißinger nennt drei Gründe für die Ausstellung: Der erste ist die Erinnerung an die Bücherverbrennungen wachzuhalten, »damit so etwas nie wieder passiert«. Der zweite ist der Wunsch, »insbesondere junge Menschen ansprechen und deren Interesse an Büchern wecken und fördern.« Und der dritte ist, auf die Verfolgung von Autoren und Journalisten weltweit hinzuweisen. »Die Freiheit des Geistes ist nach wie vor bedroht.«
Gezeigt werden sollen in der Ausstellung, deren Schirmherr Bürgermeister Sebastian Wysocki (CDU) ist, bis zu 30 Bücher. »Dazu gehören beispielsweise Bücher wie »Gilgi – eine von uns« von Irmgard Keun (1931), aber auch Werke von Vicki Baum, von Bestsellerautor Emil Ludwig oder Emil Julius Gampel, der einen »statistischen Blick« auf politische Morde in der Weimarer Republik warf.
Fotos und Zitate
von Autoren

Auf Schautafeln im ersten Stock der Stadtbibliothek werden Fotos und Zitate der Autoren abgedruckt. Zur Verfügung stellt die Bücher Eberhard Seipp, der als Beisitzer im Vorstand das Archiv der Naturfreunde Bad Vilbel betreut. Er hat mehr als 700 »verbrannte« Bücher in Antiquariaten, auf Flohmärkten und im Internet gesammelt. Sein Interesse geweckt und zum Sammeln animiert hatte ihn vor vielen Jahren eine Buchreihe mit Büchern von zwölf Autoren. Diese wurden begleitet von »Feuersprüchen« ins Feuer geworfen. Diese »Feuersprüche« lauteten: »Gegen Klassenkampf und Materialismus; gegen Dekadenz und moralischen Verfall! Für Zucht und Sitte in Familie und Staat, für Volksgemeinschaft und idealistische Lebenshaltung; gegen Gesinnungslumperei und politischen Verrat, für Hingabe an Volk und Staat; gegen seelenzerfasernde Überschätzung des Trieblebens, für den Adel der menschlichen Seele; gegen Verfälschung unserer Geschichte und Herabwürdigung ihrer großen Gestalten, für Ehrfurcht vor unserer Vergangenheit; gegen volksfremden Journalismus demokratisch-jüdischer Prägung, für verantwortungsbewusste Mitarbeit am Werk des nationalen Aufbaus; gegen literarischen Verrat am Soldaten des Weltkrieges, für Erziehung des Volkes im Geist der Wahrhaftigkeit; gegen dünkelhafte Verhunzung der deutschen Sprache, für Pflege des kostbarsten Gutes unseres Volkes; gegen Frechheit und Anmaßung, für Achtung und Ehrfurcht vor dem unsterblichen deutschen Volksgeist.«
Mit der Ausstellung wollen die Veranstalter einen Blick auf das Thema eröffnen und Interesse wecken, ohne zu sehr ins Detail zu gehen.

Vorträge und Filme
Die Ausstellung »Gegen das Vergessen – 90 Jahre Bücherverbrennungen« wird in der Stadtbibliothek Bad Vilbel vom 9 bis 26. Mai: Die Eröffnung der Ausstellung in der Stadtbibliothek findet am Dienstag, 9. Mai, 20 Uhr, durch Bad Vilbels Ersten Stadtrat Bastian Zander (CDU) und den Frankfurter Stadtführer und Stadthistoriker Dieter Wesp statt.
Geplant ist ein Vortrag »Gegen das Vergessen – Antisemitismus heute« mit dem Juristen und Publizist Michel Friedmann – das Datum steht noch nicht fest.
Filme zum Thema werden gezeigt am 23. Mai im Kino Alte Mühle und am 24. Mai in der Christuskirche.
Die Naturfreunde werden in Vilbeler Schulen Vorträge »Gegen das Vergessen« halten.
Von Christine Fauerbach