Karben. Eigentlich hätte die Stadt den Wertstoffhof am Ende des Gewerbegebietes gar nicht erweitern dürfen, weil die Erweiterungsfläche ein Vogelschutzgebiet berühren würde. Grund ist ein Nein der Unteren Naturschutzbehörde. Aber nun scheint es doch möglich. Die Stadt hat mit der Oberen Naturschutzbehörde einen Kompromiss erarbeitet.
Wer einen Blick ins Archiv wirft, entdeckt rasch, dass schon vor mittlerweile sechs Jahren seitens der Stadt der Wunsch bestanden hat, den Wertstoffhof am Standort zu erweitern. Denn es hatte sich bis dato längst herausgestellt, dass der Hof viel zu klein ist. Denn immer mehr Menschen renovieren, bauen und entrümpeln. Da bildeten sich schon vor Corona-Zeiten lange Autoschlangen. Zudem wurde sozusagen die stoffliche Trennung immer mehr. Das bedeutet: Es mussten auch mehr Container auf das Gelände in der Max-Planck-Straße gestellt werden.
Allerdings gab und gibt es ein Problem: Der Hof kann nicht einfach so erweitert werden. Denn dahinter gibt es eine Grünanlage, und die hat große Bedeutung für die Vogelwelt. Dort stehen Bäume und Sträucher, die für die kleinen und großen Flieger so wichtig sind, dass der Grünzug als schützenswert eingestuft worden ist.
Bebauungsplan muss geändert werden
Folglich lehnte die Untere Naturschutzbehörde beim Wetteraukreis eine Erweiterung des Wertstoffhofes ab. Im Dezember 2018 vermeldete diese Zeitung, dass eine Erweiterung am jetzigen Standort nicht mehr möglich sei.
Die Stadt prüfte parallel zum laufenden Bebauungsplanverfahren alternative Standorte. Doch der favorisierte im Gewerbegebiet »Am Spitzacker« in Okarben stellte sich als nicht geeignet heraus, was im Oktober 2020 bekannt geworden ist.
Der Blick zurück zeigt, seit wie vielen Jahren die Stadt sich bemüht, den heute Recyclinghof genannten Wertstoffhof, im Volksmund auch fälschlicherweise Bauhof genannt, zu erweitern. Bislang aber ohne Erfolg. Kürzlich ist nun ein weiterer Container hinzugekommen, denn Bauschutt soll nun auch in Fraktionen mit Gips und ohne Gips getrennt werden. Und die Gelben Säcke können dort trotz der flächendeckenden Aufstellung der Gelben Tonnen noch abgegeben werden.
Also verhandelten die Fachleute vom städtischen Hochbau-Fachdienst mit der Oberen Naturschutzbehörde. Dabei wurde ausgelotet, wie der Wertstoffhof doch noch am bestehenden Standort erweitert werden kann.
Deshalb lag den Stadtverordneten in der Sitzungswoche eine Vorlage der Verwaltung vor, in der das weitere Vorgehen dargestellt ist. Fachdienstleiter Heiko Heinzel trug die Vorlage in der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Stadtplanung und Infrastruktur vor. Er wies darauf hin, dass bereits mit der erstmaligen Erarbeitung des Gesamt-Bebauungsplans für das Gewerbegebiet eine Erweiterungsfläche zu berücksichtigen sei. Nach der frühzeitigen Beteiligung der Träger öffentlicher Belange sei aus Gründen des Artenschutzes auf die Flächenerweiterung verzichtet worden. Alternative Standorte hätten den vollständigen Neubau eines solchen Hofes bedeutet. »Im Endergebnis steht ein vollständiger Neubau in keinem sinnvollen Kosten-Nutzenverhältnis zu einer Erweiterung am Standort«, heißt es in der Vorlage.
Dort steht auch, dass der mit der Oberen Naturschutzbehörde erzielte Kompromiss die Erweiterung des Hofes lediglich um 18 Meter in östliche Richtung vorsieht und man in der bisherigen baulichen Tiefe bleibe.
Der Bebauungsplan jedoch verzeichnet ein wesentlich größeres Gebiet. Der Grund: Die Stadt muss für die rund 600 Quadratmeter mehr in Anspruch genommene Fläche »die übrige Fläche im Sinne des Vogel- und Landschaftsschutzes« aufwerten.
Gutachter erarbeitet Vorschläge
Heinzel erläuterte auf Nachfrage dieser Zeitung, der eigentliche Hof werde um 18 mal zirka 30 Meter erweitert. Die Fläche des Bebauungsplans sei identisch mit der des ursprünglichen Bebauungsplans. Die eigentliche Bauhoferweiterung werde aber nur einen Teil der Fläche betreffen. Die Stadt wäre verpflichtet, den Bauhof wieder einzugrünen oder einen Holzzaun herumzuziehen, um den Lichteinfall für das Naturschutzgebiet abzufangen. Möglicherweise gebe es zum Vogelschutzgebiet auch einen begrünten Wall.
Mittlerweile sei ein Fachgutachter beauftragt worden, ein Gutachten zu erstellen, sagt Fachdienstleiter Heinzel weiter. Er rechnet mit einer Verfahrensdauer von rund einem Jahr. Das wäre kürzer als die sonstigen Normalverfahren von Bebauungsplänen. Der Fachmann weiß, warum: »Hier gibt es kaum betroffene Träger öffentlicher Belange.«
Von Holger Pegelow