Veröffentlicht am

Wer bin ich wirklich?

Das Wort zum Sonntag

Klaus Neumeier
Klaus Neumeier

Die erste Rede des amerikanischen Präsidenten Trump vor den Häusern des Kongresses. Auf einmal versöhnliche Töne: Die Presse wird hoch geschätzt! Die Schwarzen haben für die USA soviel erreicht! Und überhaupt… Wie kommt es, dass ich bei so guten Aussagen trotzdem mit dem Kopf schüttle? Es ist ganz klar: Wer 100 x „hüh“ sagt, dem nimmt man das „hott“ nicht ab. Die Taktik ist viel zu offensichtlich. Trump braucht den Kongress und deswegen gibt er sich moderat. Reine Taktik…

Aber das kenne ich auch von mir selbst. Diese Taktik eben. Wo ich etwas erreichen will und wo ich auf Zustimmung anderer angewiesen bin, da bin ich sofort freundlicher und stelle kritische Worte erstmal zurück. Um des höheren Zieles willen sozusagen… Reine Taktik! Nein: Ich will ganz sicher keinen Trump verteidigen! Aber ich will mich daran erinnern, wie schnell ich in derselben Gefahr stehe zu taktieren. Ich fürchte, dass bei Trump Freundlichkeit und Verbindlichkeit gespielt sind. Ich hoffe und arbeite daran, dass das bei mir nicht so ist. Ich hoffe aber zugleich, dass ich auch dann, wenn ich von jemandem noch etwas möchte, auch kritische Worte nicht zurückhalte – kritische Worte zu Stammtischparolen, zu Hetze gegen Minderheiten, zu Selbstbereicherung, zu Lieblosigkeit aller Art. Und da unterscheidet sich die Taktik bei Trump und bei mir: Trump verkneift sich seine Grobheiten, seine Vereinfachungen und seine fake news. Ich verkneife mir manchmal Widerworte gegen genau dieses! Das ist wirklich etwas anderes. Aber auch das will ich eigentlich. Um der Wahrhaftigkeit willen sollten wir nicht „um des lieben Friedens willen“ die Klappe halten. Mehr denn je brauchen wir heute klare Worte gegen Vereinfacher, gegen Parolen, gegen Hass. Wer um des lieben Friedens willen schweigt, macht sich mitschuldig. Wer aus taktischen Gründen schweigt, macht sich mitschuldig. Solche Taktik geht am Ende ohnehin nicht auf. Bei mir nicht und bei Trump auch nicht. Nicht vor Menschen und vor Gott sowieso nicht.

Seien Sie herzlich gegrüßt

Pfarrer Klaus Neumeier

Evangelische Christuskirchengemeinde Bad Vilbel