Die einen müssen nicht lange überlegen: Der Fußball. Ich habe vor einigen Tagen darüber gelesen, dass irgendwo in Deutschland eine ganze Stadt den örtlichen Fußballverein so verehrt, wie man es sonst nur von einer Religion kennt. Der Intendant der örtlichen Oper, der Bürgermeister, die Arbeitslosen genauso wie die Großverdiener – für sie alle sind der Verein und die Mannschaft heilig. Ich spreche nicht vom FV Bad Vilbel oder von Eintracht Frankfurt, sondern von Borussia Dortmund.
Während sonst in der Stadt Vieles darnieder liegt, vermittelt der Verein: Alles ist möglich. Der Verein ist heilig. Er ist unantastbar. Die Liebe zu ihm ist nicht verhandelbar. Man lässt nichts auf ihn kommen. Eine Beschimpfung des Vereins kommt einer Blasphemie gleich. Was ist Ihnen heilig? Was ist für Sie so wichtig, dass Sie nichts darauf kommen lassen? Was hat für Sie eine solche Bedeutung, dass damit Ihr Leben steht oder fällt? Die Familie? Oder doch lieber die Karriere? Die eigene Gesundheit?
Für diesen Sonntag wird uns ein Vers aus der Bibel vorgeschlagen. Der Prophet Jesaja hat eine Vision, er begegnet Gott und wirft sich auf den Boden und sagt: „Heilig, Heilig, Heilig ist der Herr. Die ganze Welt ist voll seiner Ehre“ (Jesaja 6,3). Für den Propheten ist Gott heilig. Er verdient unbedingte Verehrung. Er ist unantastbar. Mit ihm steht und fällt diese Welt und auch das eigene Leben. Was zur Zeit Jesajas ein Konsens war, ist heute höchst umstritten.
Heute bestimmt jeder für sich selbst, was ihm oder ihr heilig ist. Es mag Leute geben, denen ist Gott auch heute heilig. Aber das ist alles andere als selbstverständlich. Ich frage mich, was eigentlich passiert, wenn nur noch jeder für sich klärt, was heilig ist. Wenn es nichts Heiliges mehr gibt, was von allen anerkannt ist. Ich weiß wohl, dass diese Zeiten vorbei sind. Aber ich glaube, dann wird tatsächlich alles zur Verhandlungsmasse. Dann gibt es nichts mehr, was bedingungslos gilt.
Mich überzeugt, was der Prophet sagt: „Gott ist heilig“. Im Neuen Testament heißt es einmal: Gott ist die Liebe. Und wenn Gott heilig ist, dann ist es die Liebe Gottes, die bedingungslos gilt. Mit dieser Liebe steht und fällt unser Leben. Als ich neulich in einem Interview las, wie ein Bischof gefragt wurde: Wie kommt man eigentlich in den Himmel?, da habe ich mir gedacht: Indem ich ganz und gar in die Liebe Gottes eintauche. Indem ich mich von dieser Liebe beschenken lasse und mich mitziehen lasse. Wenn ich das tue, dann werde ich irgendwann staunend vor dieser Liebe stehen und sagen: „Heilig, Heilig, Heilig bist du Gott.“
Ihr Pfarrer Jens Martin Sautter
Ev. Christuskirchengemeinde