Überall wimmelt es dieser Tage von Närrinnen und Narralesen, auf den Straßen unserer Städte und auf den Kanälen im Fernsehen. Die Bibel findet einerseits harsche Worte im Bezug auf Narren, also auf Menschen, die alles andere als von Weisheit geprägt sind. Gleichzeitig gibt es aber auch das Lob der Narretei in der Bibel, ja, die frohe Botschaft des Evangeliums selbst wird als etwas Närrisches bezeichnet. Und tatsächlich empfinden viele Menschen das, was von Christinnen und Christen gedacht, gefordert, geträumt wird, ja auch als närrisch.
Schließlich träumen wir davon, dass diese Welt eine andere, friedvollere sein könnte! Ist das nicht absurd angesichts der Krisen, in denen sich die Menschheit und unser Land befinden? Und das nicht erst heute! Denken Sie an Martin Luther King, der in den rassistischen USA der 60er-Jahre rief „I have a dream!“ – was für ein Narr! Denken Sie an die Menschen, die vor gut 25 Jahren in Leipzig auf die Straße gegangen sind und hofften, dass ihr friedlicher Protest sich gegen die schwer bewaffnete Staatsmacht durchsetzen würde – was für Narren! Und denken Sie in unseren Tagen an Margot Käsmann, die sagte: „Ich fände es gut, wenn die Bundesrepublik auf eine Armee verzichten könnte.“ Im Bundestag wurde sie dafür als naiv verspottet. Närrisch eben.
Paulus selbst nennt das Evangelium, das er verkündet, aber auch ganz offen eine Narretei (1. Kor 1,18ff). Ja: Unser Glaube ist närrisch. Weil wir von einem göttlichen Frieden träumen, der sich gegen alle menschliche Gewalt durchsetzt. Und im Fasching zeigt etwas genau davon. Er ist im besten Sinne ein Bild einer solchen „verkehrten Zeit“, wie wir sie erträumen. Schauen Sie genau hin: Da ist der Elferrat bei den Sitzungen. Er ist eine parodistische Verkehrung der üblicherweise zehn Dezernenten einer städtischen Regierung, und er besteht nicht aus hoch gebildeten Technokraten, sondern aus einfachen Menschen, deren Humor die entscheidende Qualifikation für das Amt bildet.
Da ist außerdem die Garde. Sie ist eine Persiflage auf das Militär, das im Gleichschritt aufmarschiert. Hier, in dieser verkehrten, närrischen Welt aber schießt es eben nicht, sondern es tanzt, es wird nicht zackig salutiert, sondern mit aus- und einladender Geste „Helau“ und „Alaaf“ gerufen. Was für eine herrliche Umwälzung des Althergebrachten und Erwartbaren. Und schließlich ist da das Bonbonwerfen. Sein Vorbild besteht im Einzug eines Königs in einer Stadt, wenn Menschen auf die Straßen strömen um ihm zuzujubeln, Blumen vor ihm auf die Straße zu werfen. Das Volk erweist dem Mächtigen die Ehre – und im Karneval ist auch das genau andersherum. Hier wird dem Volk die Ehre erwiesen, was im Werfen der Bonbons symbolisch zum Ausdruck kommt.
Es zeigt sich: Ein Narr kann in diesen Zeiten ein durchaus weiser Mensch sein, denn er träumt den Traum von einer anderen Welt, wie er das Christentum durchzieht. Wie wunderbar, dass Gott so manchen närrischen Traum bereits durchgesetzt hat – in den USA der 60er-Jahre, in Leipzig vor gut 25 Jahren. Das macht mir Mut, an meinen übrigen Träumen vom göttlichen Frieden festzuhalten, auch zur Faschingszeit. Dumm ist nur, wenn einer diesen Traum von einer besseren Welt vor lauter Feierei vergisst. Was für ein Narr…
Ingo Schütz, Parrer der
Christuskirchengemeinde
Bad Vilbel