Bad Vilbel. Trillerpfeifen, laute Musik und Forderungen in Sprechchören – bereits aus einiger Entfernung sind die rund 50 Beschäftigten der Hassia Mineralquellen zu hören, die am zweistündigen Warnstreik am Montag teilgenommen haben. »Elf Prozent mehr, sonst bleiben die Flaschen leer!«, skandierten sie auf der Straße vor dem Betriebsgelände.
Der Grund: Bei der letzten Entgelttarifverhandlungsrunde Ende Februar zwischen dem Verband der Mineralbrunnen- und Erfrischungsgetränkeindustrie aus Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) haben die Arbeitgeber eine Lohnerhöhung von vier Prozent und eine nicht weiter definierte Einmalzahlung angeboten.
Dies ist zu wenig, wenn es nach Anna Langensiepen geht, Gewerkschaftssekretärin der NGG-Region Rhein-Main. »Aufgrund der hohen Inflation fehlt es den Angestellten an Kaufkraft. Die Mitarbeitenden sollen sich ein ebenso gutes Leben leisten können wie vorher«, sagt Langensiepen. Laut der NGG sei das Angebot des Verbandes der Mineralbrunnenkonzerne »absolut inakzeptabel« und würde einer Reallohnsenkung gleichkommen. Deshalb wurde zum Warnstreik aufgerufen.
Es wurde nicht nur in Bad Vilbel gestreikt. Auch die Mitarbeitenden der Mineralbrunnenbetriebe von Gerolsteiner oder Staatlich Fachingen haben sich in den vergangenen Tagen und Wochen am Streik beteiligt. Um die Inflationsrate auszugleichen, die laut dem Statistischen Bundesamt im März bei 7,4 Prozent lag, fordert die NGG eine Lohnerhöhung von elf Prozent. Dabei sollen sich die Löhne für Angestellte um mindestens 350 Euro erhöhen – Auszubildenden stehe eine Lohnerhöhung von mindestens 200 Euro zu.
Langensiepen sagt: »Die Mitarbeitenden von Hassia sind auf die Straße gegangen, um ein Zeichen zu setzen und für einen höheren Lohn zu kämpfen.« Sie erhofft sich von der Verhandlungsrunde eine deutliche Steigerung des Angebots des Verbandes der Mineralbrunnen- und Erfrischungsgetränke-Industrie. Wenn dies nicht eintreten sollte, sagte Langensiepen, könne sie sich länger anhaltende Streiks sehr gut vorstellen.
Um den Austausch mit der Gewerkschaft und den streikenden Mitarbeitern aufzunehmen, stand Dirk Hinkel bereit, geschäftsführender Gesellschafter der Hassia Mineralquellen. Zwar könne er nachvollziehen, dass die Mitarbeitenden für eine Erhöhung der Löhne streiken und auf welcher Grundlage die Forderung der Gewerkschaft von elf Prozent zustande kommt, doch »ist sie meiner Meinung nach viel zu hoch und nicht darstellbar«.
Hinkel begründet dies mit beispiellos steigenden Betriebskosten in allen Bereichen des Unternehmens, »die wir nicht einfach so an unsere Kunden weitergeben können«. Die Inflation wirke sich dementsprechend nicht nur negativ auf die Mitarbeiter, sondern auch auf das Unternehmen aus. »Trotzdem sehe ich kein Problem darin, dass unsere Belegschaft heute auf die Straße geht und streikt, betont Hinkel. Der Schaden durch den Streik falle für Hassia gering aus und belaufe sich auf eine niedrige vierstellige Summe. Hinkel hofft auf eine schnelle und gute Lösung bei den heutigen Verhandlungen. Seine Einschätzung: »Wir streben einen vertretbaren und mäßigen Abschluss an. Er wird aufgrund der Inflation sicherlich oberhalb der normalen Abschlüsse liegen – doch am Ende sollen beide Seiten zufrieden sein.« (pku)