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Wahnsinn nur eine Frage der Perspektive – Burgfestspiel-Premiere von „Penision Schöller“ am 4. Juni

Bühnenbildnerin Kathrin Kegler (links) mit Regisseurin Adelheid Müther vor dem Modell des Bühnenbildes
Bühnenbildnerin Kathrin Kegler (links) mit Regisseurin Adelheid Müther vor dem Modell des Bühnenbildes

Bad Vilbel. »Ich mache gerne Komödien«, sagt Adelheid Müther. Die Regisseurin realisiert in diesem Sommer mit »Pension Schöller« ihre zehnte Inszenierung für die Burgfestspiele. Mit Ausnahme von »Der Päpstin« waren es hier immer Komödien. Allerdings ist Müther keineswegs nur auf diese Sparte abonniert, vielmehr hat sie an anderen Theatern auch viele Dramen und Schauspiele auf die Bühne gebracht. Teilweise auch integrative Theaterprojekte.

»Bei Komödien ist es einfach so, dass man sich freut, wenn man lacht«, bringt sie es auf den Punkt. Schließlich spreche nichts gegen gute Unterhaltung, aber sie müsse eben auch gut gemacht sein. Die Auf- und Abgänge der Figuren seien bei Komödien stark festgelegt, da müsse das Timing stimmen. Andernfalls gehe die komödiantische Schlagkraft verloren. Ein Macbeth könne weit weg von Shakespeares Original in eine ganz andere Situation versetzt werden. Durch die Regie müsse dies sicher dann nachvollziehbar begründet werden. Eine Komödie setze aber ein ganz anderes Nachdenken voraus.

Bestätigt wird die Regisseurin von Bühnenbildnerin Katrin Kegler. Komödien zu inszenieren gestalte sich oft viel schwieriger als dies bei anderen Genres der Fall sei. Es ist immer die Frage, welches Niveau eine Komödie vertragen kann, ohne in Klamauk und Klamotte zu verfallen, sind sich Regisseurin und Bühnenbildnerin einig. Die Verführung, Richtung Klamotte zu gehen, sei ja oft vorhanden. So gehe es darum, die schrägen Vögel in der Pension Schöller – ein übermotivierter und abenteuerlustiger Großwildjäger, eine skurrile Schriftstellerin, ein stets cholerischer Major a.D. und ein Möchtegern-Schauspieler mit Sprachfehler – nicht zu Karikaturen verkommen zu lassen. Und ob die scheinbar Normalen eigentlich irre seien oder die scheinbar Irren normal, das möge jeder selbst beurteilen. Ist die eigene Wahrnehmung immer die richtige oder sehen wir nur, was wir sehen wollen?  Schließlich sei auch Wahnsinn nur eine Frage der Perspektive.

LIEBENSWERT
»Pension Schöller« ist eine liebenswerte Komödie, die an allen deutschsprachigen Theatern landauf, landab gespielt wird. Von Amateur- und Stadttheatern bis zur Wiener Burg und großen Häusern in Berlin und Hamburg.
Adelheid Müther bringt diesen Lustspiel-Klassiker des Mainzer Autorenduos Jacoby-Laufs zum ersten Mal auf die Bühne. Inszenierungen von Regiekollegen hat sie noch nicht gesehen und auch den 1960 erschienen Film mit Theo Lingen und Boy Gobert will sie sich erst später vielleicht einmal ansehen. Generell hält die Regisseurin es meistens für besser, wenn sie ein Stück erst einmal nur vom Hörensagen kennt. Da fühle sie sich nicht so eingeengt von Eindrücken und einfach freier in ihren Überlegungen.

EXPRESSIONISTISCH
Von Katrin Keglers Ideen für das Bühnenbild und von den Kostümentwürfen von Marie-Therese Cramer fühlt sich Adelheid Müther sehr inspiriert. »Ich bin da richtig beglückt«, lobt sie. Die Handlung wurde vom letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts in die 1930er Jahre verlegt. Keglers Bühnenbild greift deshalb auf expressionistische Motive zurück. Sie hat die Wände der Berliner Pension, des Café Nollendorf und andere Schauplätze mit Malerei dieser Epoche bestückt. Die Zuschauer sollen das Stück auch in Bildern denken – jenseits von Naturalismen.
Marie-Therese Cramers Kostüme passen sich dem an. Während die Farben der Kulissen etwas gedeckter sind, wird es bei den Kostümen farbiger und leuchtender. Im zweiten Teil der Vorstellung verlagert sich die Handlung weg von Berlin ins Provinznest Kyritz an der Knatter in das Gutshaus des Herrn Klapproth. Und auch da erweist sich das Bühnenbild als sehr flexibel und mit amüsantem Charme.

 

»Pension Schöller« ist nach der Premiere noch mit insgesamt 16 weiteren Vorstellungen auf dem Spielplan der Burgfestspiele vertreten. Weitere Informationen und Ticketbuchung über www.kultur-bad-vilbel.de.

Ein eingespieltes Team:  Adelheid Müther, Kathrin Kegler und Marie-Therese Cramer haben in Bad Vilbel und an andern Theatern schon oft sehr vertauensvoll zusammengearbeitet. Vor dem Bad Vilbeler Engagement haben Kegler und Cramer in Schwerin am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin die Ausstattung für die Inszenierung »Im weißen Rössl« realisiert und sind dafür in der Kategorie Bühne/Kostüme für den Deutschen Theaterpreis »Der Faust« nominiert worden.
Nach Bad Vilbel bereiten Müther, Kegler und Cramer gemeinsam in Hamburg am Ernst-Deutsch-Theater mit »Irrwege« das neue Stück des Niederländers Haye van der Heyden vor – mit Joachim Bliese und Judy Winter in den Hauptrollen. Bliese war vor zehn Jahren in Bad Vilbel beim Debüt von Adelheid Müther als Don Camilo dabei.   (hir)