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Wackelkandidaten

Bad Vilbel. Bernd Matheis, Gutachter der Dekra, empfindet seine Arbeitstage auf den Bad Vilbeler Friedhöfen als angenehm. „Sehr ordentlich, sauber aufgeräumt“ sei es da. Die Mitarbeiter gingen mit fragenden Friedhofsbesuchern sehr höflich um. Was keine Selbstverständlichkeit sei, weiß er.

Matheis kommt viel herum. Friedhöfe in zehn hessischen Städten kontrolliert er – neben seiner eigentlichen Tätigkeit als Sachverständiger im Maschinenbau, wo er Gabelstapler, Bagger und ähnliches Gerät auf Unfallsicherheit hin überprüft.

In Vilbel ist er seit 2009 im Einsatz. In dieser Zeit seien die Beanstandungen kontinuierlich gesunken. Habe es 2005 noch 70 Beanstandungen gegeben, so seien 2009 nur noch 15 Gräber mangelhaft gewesen. Voriges Jahr waren es nur noch zwölf Reklamationen bei immerhin 4000 geprüften Grabstätten auf dem Friedhof Lohstraße und weiteren 1500 in den Stadtteilen. Seit drei Jahren werden auch die städtischen Denkmäler mit geprüft.

Druckmessgerät

Normalerweise ist das kein großer Aufwand. Matheis’ Kollegen Matthias Aschenbrenner und Alex Linke vom Friedhofsamt setzen am Grabstein ein Druckmessgerät an, das sie bis 500 Newton auf den Marmor pressen. Drei Sekunden dauert das. Doch während Matheis noch erzählt, dass er 2013 beim nächsten Tag des Friedhofs wieder dabei sein werde, ist aus der Nähe ein dumpfes Knacken zu hören.

Mattheis eilt los und sieht das Malheur. Ein Grabstein hat sich gelöst, ist auf die Grabplatte gestürzt, die zerbrochen ist. „Wir konnten den nicht mehr halten“, berichtet Aschenbrenner. Matheis und Friedhofsverwalterin Susanne Förster erkennen die Ursache. Ein einsamer Dübel schaut an der Grabbefestigung hervor. Das Loch, in dem er steckte, ist nicht verfüllt. Und auch an der Grabsteineinfassung vermissen die Experten Zement.

Ein Zufall, dass das so lange gehalten hat, finden sie. Matheis blättert in seinen Unterlagen und stellt fest, dass er jenes Grab am 23. Mai 2011 ohne Beanstandungen abgenommen hat. Doch solche Fälle zeigten, dass eine regelmäßige Kontrolle Sinn mache. Friedhofsmitarbeiter Linke ergreift einen Nachbar-Grabstein und tut so, als wolle er sich beim Putzen der Marmorplatte abstützen.

Was, wenn dann der Stein plötzlich umkippt. Mit einem geschätzten Gewicht von 300 bis 400 Kilo! Solche dramatischen Fälle sind zum Glück selten. Doch als Matheis am Montag, um 10.30 Uhr schon die ersten vier Arbeitsstunden hinter sich hatte, war sein Notizbuch bereits mit zehn Beanstandungen gefüllt – vor dem umgekippten Stein. In neun Fällen musste nicht gleich eingegriffen werden. Einen Stein aber hatte er schon gesichert mit einem von ihm eigens entwickelten Edelstahl-Gestell mit Schnellspann-Vorrichtung. Das ersetzt die früher verwendeten pietätlosen Absperrbänder.

Meist jedoch, so Matheis, entstehen wackelige Grabsteine nicht durch Pfusch, sondern witterungsbedingt. Wasser dringt in den Untergrund, bei Frost kann das Eis gegen das Fundament drücken.

Rasche Reaktionen

Bei den Reklamationen werde in Bad Vilbel rasch reagiert, lobt Matheis. Die Grabeigentümer müssen einen Steinmetz beauftragen, der ihm schriftlich die Reparatur bestätigt. „Bis Juli, August ist das meist erledigt.“

Matheis und Mitarbeiter sind bis Ende nächster Woche unterwegs. Nach dem Friedhof in der Lohstraße sind die Friedhöfe in den Stadtteilen Dortelweil, Gronau sowie Massenheim an der Reihe.