
Bad Vilbel. Zu Gesprächen, Liedern und Geschichten am Küchentisch hatten die evangelischen Kirchengemeinden Gronau und Niederdorfelden am Montagabend in die Gronauer Kirche eingeladen. Rund um den Küchentisch im Altarraum hatten Judy Bailey, Sarah Vecera und Patrick Depuhl Platz genommen. Die vom Trio gestaltete Konzertlesung »Jesus ist nicht schwarz-weiß« fand als Teil der internationalen Woche gegen Rassismus statt. Pfarrer*in Tovja Mascha Heymann begrüßte die Besucher und die drei Künstlerinnen in der mit bunten Spots und vielen Teelichtern erhellten Kirche.
Tovja Mascha Heymann informierte, dass die Kirchengemeinden nach den Anschlägen der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 das Thema Rassismus und Antisemitismus in Zusammenkünften, Workshops und Veranstaltungen in den Fokus genommen hätten. Vor der Konzertlesung besuchten 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen von Thea Hummel und Julian Elf geleiteten Antirassismus-Workshop.
Die beiden Bildungsreferenten der Vereinigten Evangelischen Mission Wuppertal (VEM) führten auch vertiefend in die Thematik der Konzertlesung ein. Sarah Vecera ist Autorin, Podcasterin und Theologin, Judy Bailey Autorin, Sängerin und Songwriterin und Patrick Depuhl ist Musiker und Autor. Alle drei kennen sich seit Teenager-Tagen aus der Kirche und touren mit ihrer Konzertlesung seit dem Kirchentag 2023 durch die Republik. Judy Bailey und Sarah Vecera sind schwarze Frauen und Mütter, die bereits im Kindergarten mit der Frage »Woher kommst du?« konfrontiert wurden. Für die kleinen Mädchen war das eine komische Frage, da sie wie alle anderen Kinder aus der jeweiligen Stadt kamen. Sarah Vecera berichtet, dass sie später zur Information »Ich komme aus Oberhausen« noch die weitere »meine Mama kommt aus Deutschland und mein Papa aus Pakistan« hinzufügte.
DNA-Analysen
vorgestellt
Um auch für sich eine genaue Antwort auf diese Frage zu erhalten, haben sich alle drei Künstler einer DNA-Analyse unterzogen. Sarah Vecera trägt Gene aus Pakistan (40 Prozent), dem Himalaya (10 Prozent), aus Ostafrika, Mittel- und Osteuropa, Finnland und Deutschland in sich.
Judy Bailey ist in Barbados am Ostrand der Karibik aufgewachsen. Ihre Vorfahren kamen aus Westafrika (80 Prozent), aus Deutschland (7 Prozent) und aus anderen europäischen Ländern. Ihr Nachname Bailey ist der des Plantagenbesitzers, bei dem ihre Vorfahren als Sklaven arbeiteten.
Beide Frauen werden in Deutschland wegen ihrer Hautfarbe allein schon durch die Frage »Woher kommst du?« zu Fremden gemacht. Auch bei Judy Baileys Ehemann Patrick Depuhl, der Sohn eines in Himmlers Lebensborn geborenen Vaters ist, förderte die DNA-Analyse einen bunten Gen-Mix aus Deutschland, England, Schlesien und Frankreich zutage.
Anschaulich schilderte das Trio am Beispiel von Tierlauten, wie unterschiedlich weltweit die Sozialisation verlaufe und dass jeder andere Erfahrungen mache. Eine »Norm« gebe es weder bei der Hautfarbe oder der Bezeichnung unterschiedlicher Merkmale.
Die Künstler erörterten am Küchentisch ihre jeweiligen Perspektiven und gingen der Frage nach, wie Jesus Christus zu einer weißen Person geworden ist. In vielen Darstellungen wie Bildern und Skulpturen sei ein weißer Mann zu sehen, was angesichts seiner Herkunftsregion eher unwahrscheinlich ist.
Ein System
bekämpfen
»Die Kirchen haben Gott ein Geschlecht und eine Hautfarbe gegeben und ihn damit kolonialisiert.« Erörtert wurde, wie Rassismus in der Gesellschaft und auch in den Kirchen strukturell verwurzelt sei. »Anti-Rassismus-Arbeit ist nicht nur eine Sache des Kopfes, sondern vor allem auch eine des Herzens«, betonte das Trio. Deshalb sei es wichtiger für alle zu wissen, wofür sie sind und nicht wogegen. Rassismus grenze Menschen aus, Anti-Rassismus bedeute ein System zu bekämpfen.
Ihre Aussagen und biografischen Erzählungen verstärkten sie mit Liedern, Musik und Passagen aus ihren Büchern. Sarah Vecera las aus ihrem Buch »Wie ist Jesus weiß geworden«, Judy Bailey und Patrick Depuhl aus ihrem gemeinsam Buch »Das Leben ist nicht schwarz-weiß«. Mit der Konzertlesung regten sie an, sich selbst zu hinterfragen, auf die eigenen Prägungen, die eigenen Geschichten zu schauen.
Pfarrer*in Tovja Mascha Heymann informierte, dass die beiden Veranstaltungen, Workshop und Konzert, kostenfrei für die Teilnehmer durch die Kooperation mit der VEM und der Förderung des Wetteraukreises aus dem Programm »Demokratie leben!« des Bundesfamilienministeriums und der Kofinanzierung durch das Land Hessen waren.
Von Christine Fauerbach