Vor rund 100 Jahren, am 28. Juni 1914, wurden der Thronfolger Österreich-Ungarns Franz Ferdinand und seine Ehefrau in Sarajevo ermordet. Das Attentat war der Anlass zum 1. Weltkrieg, der geschätzt 10 Millionen Menschen das Leben kostete. Wie konnte es dazu kommen und was kann man daraus lernen, um es künftig zu verhindern? Mir scheint, das sind die zentralen Fragen, die uns gerade jetzt beschäftigen.
Anlässlich des Jahrestages dieses Attentates gab es Gedenkveranstaltungen in Sarajewo, bei denen auch die Wiener Philharmoniker ein Konzert „für den Frieden“ gaben. Musik führt wunderbar vor, wie schön echtes Zusammenspiel sein kann und eben keiner Gleichmacherei bedarf.
Aber auch diese Gedenkfeiern waren nicht frei von „Misstönen“. In Ostbosnien, unweit der serbischen Grenze versammelten sich Hunderte, um den Attentäter als Freiheitskämpfer gegen die damalige Fremdherrschaft huldigten.
Wer geglaubt hatte, Kriege seien weit weg von Europa, der wurde und wird immer wieder eines besseren belehrt. Dabei haben wir so viel über Kriege gehört, gelesen und diskutiert. Ich dachte wir hätten feindlich, territoriales Denken als solches entlarvt, nach dem benachbarte Staaten abgestempelt und als Bedrohung charakterisiert werden. Aber so leicht ist es eben nicht. Mich begeistert der Gedanken eines friedlichen, geeinten Europas. Schade, dass Wirtschaftlsprobleme in den letzten Jahren vieles davon zugedeckt haben. Mittlerweile nehmen die Töne derer zu, die Europa als Last darstellen. Da wünsche ich mir wirklich mehr Weitsicht und wenn man alte Vorurteile aufpoliert, frage ich mich ernüchtert, ob wir wirklich nie aus der Geschichte lernen?
Offenbar kann man das nicht ein für alle Male „gelernt“ haben. Frieden muss immer wieder mühevoll geschaffen und erhalten werden. Darum möchte ich gerade derzeit an all diejenigen erinnern, die oft so mühsam Frieden versuchen zu schaffen: Politiker, die unpopuläre Entscheidungen zugunsten des friedlichen Miteinanders vertreten. Menschen, die manchmal in zahlenmäßig ganz kleinen Projekten Verständigung zwischen verfeindeten Gruppen ermöglichen. Mir fallen Künstler ein, die ihre Begabungen nutzen, Menschen zusammenzubringen. Ich will diejenigen von uns ermutigen, die bereit sind alte Vorurteile zu hinterfragen und besonders diejenigen, die etwas gegen Rassismus im direkten Umfeld sagen. Mir fallen Menschen ein, die Schüleraustauschprogramme mit Ländern angeregt haben oder unterstützen, die unsere Großeltern als Erzfeinde bezeichnet haben. Diese und noch viele mehr, fallen mir bei dem Gedenken an diesen Weltkrieg ein, weil sie auf ganz unterschiedlichen Ebenen Frieden stiften. Für sie alle gilt, was Jesus in der Bergpredigt sagte: „Selig sind, die Frieden stiften. Gott wird sie als seine Söhne und Töchter annehmen.“ (Matthäus 5,9)
Pfarrerin Ulrike Mey,
evangelische Christuskirche
Bad Vilbel