Karben. Wie setze ich den Läufer ein, wann opfere ich einen Bauern, und was ist ein guter Zug, um zu gewinnen? In einem Schachkurs des Mütter- und Familienzentrums Karben lernen Kinder, klug ihre Figuren zu bewegen und vorausschauend zu spielen.
Ulrich Stoll verteilt die Schachbretter auf den Tischen, legt die Beutel mit den Spielfiguren dazu und macht seinen Laptop startklar. Denn er hat ein Schachprogramm installiert; mittels Beamer möchte er den Kindern einige Taktikaufgaben zeigen. »Ein Schachkurs ist keine Spielstunde. Ich möchte die Kinder weiterbringen, damit sie mehr Spaß am Spiel haben und die Feinheiten des Schachs kennenlernen«, sagt er. Gespielt wird natürlich auch, aber erst am Schluss jeder Stunde. Stoll ist ein erfahrener Schachspieler, Mitglied im Verein Schachfreunde Bad Vilbel und dort verantwortlich für Jugendschach.
Pünktlich trudeln Noel und Xavio, Marita, Santiago und Antonio ein. Ein Kind fehlt heute, sechs sind zu dem Kurs angemeldet, den Stoll seit Ende Oktober im Mütter- und Familienzentrum Karben anbietet. Marita (8) ist das einzige Mädchen. Wie die Schachfiguren heißen und wie sie sie setzen muss, hat ihr die Mama beigebracht. Mit der spielt sie manchmal oder auch mit der Tante und freut sich diebisch, wenn sie gewinnt. Auch die Jungs haben das Schachspiel zu Hause gelernt, meistens von ihren Vätern oder vom älteren Bruder. Schach übt auf die Kinder einen großen Reiz aus, weil es die »Großen« spielen, die Erwachsenen und weil Schach so kniffelig ist. »Da muss man nachdenken und kann nicht einfach so eine Figur setzen«, sagt Noel (10), der von sich sagt, dass er schon ganz lange Schach spielt.
Die Kinder haben
Feuer gefangen
Zum Nachdenken sind die Kinder herausgefordert, als Stoll die erste Übungsaufgabe präsentiert. Er geht im Kurs nach einem Schachlernprogramm der Stiftung »Deutscher Schulschach« vor. »Findet einen guten Zug für Weiß«, sagt Stoll. Die Kinder blicken auf das Demo-Schachbrett, das er mittels Beamer auf der weißen Wand an der Stirnseite des Raumes projiziert. In ihren Köpfen rattert es, Dame, Turm und Läufer sind aufgestellt. Was sollen sie ziehen, um eine gegnerische Figur zu bedrohen? Noel hat eine Idee. »Der Turm zieht auf h 7«, ruft er aufgeregt. »Warum«, fragt Stoll, und Noel erklärt, dass dann der schwarze Läufer weg geht und Weiß das schwarze Pferd bedroht. »Guter Zug«, sagt Stoll, »das Pferd kannst du so erobern, dein Gegner verliert eine wertvolle Figur.«
»Das ist ein Spieß, das haben wir doch letztes Mal geübt«, erinnert sich Antonio (8) an diesen Spielzug, einen Doppelangriff, bei dem eine Figur gleich zwei gegnerische bedroht. Noch mehrere solcher taktischer Spielzüge geht Stoll mit den Kindern durch, fragt nach Lösungen, lässt sie ausprobieren. Die Kinder haben Feuer gefangen, machen mit, überlegen. Sie lernen, wie man ein Spiel gescheit eröffnet und dass man manchmal eine Figur opfern muss, um einen Vorteil an anderer Stelle zu erzielen. »Das nennt man einen Gambit«, erklärt Stoll und führt so im Laufe des Kurses feste Begriffe und taktische Spielzüge ein.
Nach einer Trinkpause sitzen die Kinder über Arbeitsblättern mit Schachaufgaben, bis Stoll die Frage stellt, auf die jetzt die Kinder schon warten. »Wollt Ihr spielen«, fragt er lächelnd und schnell sind die Arbeitsblätter an die Seite gelegt und das Schachbrett in die Mitte des Tisches gerückt. Stoll geht herum, lässt die Kinder spielen und schlichtet, wenn es Streit gibt. Etwa wenn ein Kind eine Figur anfasst und doch nicht setzt. »Berührt-geführt«, erklärt er und mahnt, nicht ständig die Finger an Bauer und Turm, Springer und Dame zu haben. Konzentrierte Gesichter ringsum, aber auch Lachen, Ärger, Freude und das triumphierende »Schachmatt«.
Am Ende des achtwöchigen Kurses werden die Kinder noch ein Turnier spielen und ihr »Bauern-Diplom« erhalten.
Von Anne-Rose Dostalek