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Vom Suchen und Verschwinden der ärztlichen Praxen – Präsident Grauduszus: Konzept der Polikliniken wird aus der Schublade geholt

Bad Vilbel. „Das Konzept der Polikliniken in der ehemaligen DDR wird aus der Schublade geholt. Wenn nichts geschieht, steuert es auf eine Neuauflage zu.“ Mit dieser Aussage konfrontierte der Allgemeinmediziner Martin Grauduszus, Präsident des Vereines Freie Ärzteschaft, etwa neunzig Besucher einer Veranstaltung im katholischen Pfarrzentrum St. Nikolaus in Bad Vilbel. Hintergrund war die Protestaktion der quellenstädtischen Mediziner (der „Bad Vilbeler Anzeiger“ berichtete).

„Unsere Gesundheitsversorgung ändert sich grundlegend. Deshalb gehen wir an die Öffentlichkeit, um auf die Situation aufmerksam zu machen“, betonte der Referent. In naher Zukunft verschwänden Praxen, weil Politik und Krankenkassen eine Neuorientierung des Gesundheitssystems wollten. Es drohten anonyme, medizinische Versorgungszentren zu entstehen, in denen der Arzt im Angestelltenverhältnis tätig werde und die Politik die Behandlung des Patienten bestimme. Menschlichkeit bei der Behandlung bliebe in der Form auf der Strecke, da Ärzte bereits jetzt in den Konflikt gedrängt würden, Verordnungen nach Kassenlage zu treffen und nicht danach, was für den Patienten das Beste sei. Es würden, so Grauduszus, bereits gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen, um Praxen durch Gesundheitsökonomen aufkaufen zu können, die dem Arzt medizinische Entscheidungen zu Gunsten wirtschaftlicher Prinzipien entzögen. „In den USA entscheidet der Kostenträger bereits jetzt, ob beispielsweise eine Gallenblasenoperation notwendig ist oder nicht.“ Das habe nichts mehr mit Therapiefreiheit des Arztes zu tun und drohe auch in Deutschland gängige Praxis zu werden, wehrten sich Patienten und Ärzte nicht dagegen.

„Wir wollen wieder mehr Zeit zum Behandeln der Patienten haben“, erklärte Michael Weidmann, Mitinitiator der Aktion, „und keine aufgeblasene Bürokratie, die als Zeitdieb diese wertvolle Zeit auf ein Minimum reduziert und so Unzufriedenheit auf beiden Seiten, bei Arzt und Patient, schafft“. Werde medizinische Versorgung industrialisiert, blieben bald viele Praxistüren geschlossen, weil private Konzerne diese übernähmen. Dann seien die Bedingungen ganz auf Wirtschaftlichkeit und Kostenfaktoren ausgerichtet. Eine „Zuwendungsmedizin“ auf den ganzen Menschen sei nicht mehr möglich und gehöre dann der Vergangenheit an, betonte der Präsident. Er behauptete, bewusst würden Keile zwischen Ärzte und Patienten getrieben und der Zorn auf Ärzte geschürt, damit es nicht mehr unangenehm auffalle, wenn immer mehr Praxen schlössen und damit den Weg für anonyme Gesundheitszentren bereiteten. Diese hätten Verträge zwischen Krankenversicherungen und Konzernen, deren Prinzip nicht das Wohlergehen des einzelnen Menschen sei. „Berufsökonomen ignorieren die menschliche Seite. Sie kalkulieren knallhart, was kostet die Behandlung und wie kann man die Kosten minimieren“, betont Grauduszus.