Karben. Seit drei Jahren lässt der Naturschutzbund Deutschland (NABU) online über den Vogel des Jahres abstimmen. Für 2023 standen fünf Vogelarten zur Auswahl: Braunkehlchen, Feldsperling, Neuntöter, Trauerschnäpper und Teichhuhn. Am Ende ließ das Voting keine Fragen aufkommen: Bei 145 000 abgegebenen Stimmen entfielen 59 000 (43,5 Prozent) auf das Braunkehlchen. Damit konnte der in Deutschland stark gefährdete Sing- und Zugvogel zum zweiten Mal nach 1987 die Spitze erklimmen.
In Karbener Gemarkung braucht man Glück und gute Augen, um ein Braunkehlchen in der Landschaft zu entdecken. Im Gegensatz zu früher ist der Bestand deutlich kleiner geworden. Ein typischer Aufenthaltsort sei immer der Ludwigsbrunnen zwischen Groß-Karben und Burg-Gräfenrode gewesen, weiß Professor Roland Prinzinger vom NABU-Ortsverband Karben.
Lebensraum Wiesen
und Raine
»Braunkehlchen brauchen als natürlichen Lebensraum Wiesen, Grabenränder, kleine Brachflächen, Raine und Riedwiesen. Höher gelegene Einzelstrukturen, wie beispielsweise einzelne Bäume oder Pfähle, benutzen sie als Sitz- und Singwarten«, erklärt der Vogelkundler. Bei mehrmaligen Grasschnitten und intensiver Grünlanddüngung würden die Tiere auf feuchte bis nasse Standorte ausweichen. Das sei aber nicht optimal für sie.
Anhand seiner Kennzeichen lässt sich das Braunkehlchen wohl am ehesten von artverwandten Vögeln unterscheiden. Von der Größe her könnte man es mit einem Sperling vergleichen. Auffallend sind jedoch das weißliche Gefieder mit rahmfarbener Kehle auf der Unterseite und der weiße Überaugenstreif. Die kontrastreiche Oberseite ist fleckig bis streifig. Vogelstimmenkundige erkennen das Braunkehlchen an seinen kurzen, gepressten Lauten sowie an flötenden Elementen, die in gewissen Abständen wiederholt werden.
In heimischen Breitengraden trifft man den Vogel des Jahres mit etwas Glück zwischen April und September an. Sein Winterquartier befindet sich auf dem afrikanischen Kontinent, südlich der Sahara. Diese weite Entfernung hat ihm den Zusatztitel »Langstreckenzieher« eingebracht. Zu seinen Verwandten zählen Rotkehlchen, Schwarzkehlchen und Steinschmätzer, wobei Letzterer in Karben nicht vorkommt. Das Braunkehlchen ernährt sich überwiegend von Insekten, Insektenlarven, Spinnen, kleinen Schnecken und Würmern.
Vogel ist vielerlei
Gefahren ausgesetzt
Roland Prinzinger kennt eine ganze Reihe von Gefahren, denen die Vögel unterworfen sind. Und dabei handele es sich nicht nur um natürliche Feinde, sondern vielmehr um von Menschenhand geschaffene Eingriffe in deren Lebensraum. »Monotone Grassaatflächen und die großflächige Nutzung von Insektiziden zerstören ihre Nahrungsbasis«, kritisiert der Ornithologe aus Klein-Karben. »Der Einsatz von Düngemitteln muss reduziert werden. Außerdem brauchen wir die Renaturierung von Feuchtwiesen und den Fortbestand zusammenhängender Wiesenflächen.«
Natürliche Feinde des Braunkehlchens seien Fuchs, Dachs, Marderhund, Waschbär, Marder, Nutria, Bisamratte. »Alle sogenannten Bodenräuber«, erklärt Prinzinger. Gefahr drohe aber auch aus der Luft durch verschiedene Greifvogelarten. Ein »vielleicht« setzt er hinter die Beteiligung von Störchen und Reihern. Mit Blick auf die Entwicklung im Naturschutzgebiet Ludwigsquelle könne das aber nicht ausgeschlossen werden. »Dort wurden schon gleichzeitig 14 Weißstörche, sechs Graureiher und zwei Silberreiher beobachtet.«
In manchen Regionen ist der Bestandverlust des Braunkehlchens eklatant. Das Bundesland Niedersachsen hat für die Jahre von 1960 bis 2008 beispielsweise einen Rückgang um rund 85 Prozent gemeldet. Von Jürgen Schenk
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