Wie lebte es sich früher in der Brunnenstadt? War damals alles besser – oder nur nachbarschaftlicher? In fast 150 Anekdoten erinnern sich 33 Vilbeler zurück. Ihre Geschichten werden jetzt als vierbändige Taschenbuchausgabe veröffentlicht.
Bad Vilbel. Erst im Ruhestand habe er die Idee reifen lassen, erinnert sich Peter Gschwilm, früherer Herausgeber des „Bad Vilbeler Anzeigers“. So viele Geschichten habe er in all den Jahren zu hören bekommen, dass er sie nun sammeln und veröffentlichen wollte. Zwei Jahre dauerte die Phase des Sammeln und Auswählens. Aus dem einen Buch sind in dieser Zeit vier Taschenbücher geworden, jeweils 96 Seiten stark. Als Extraservice für ältere Leser gibt es das Ganze auch im Din-A-4-Großdruckformat, zum gleichen Preis.
Die Präsentation der Bände fand im Haus der Begegnung (HdB) statt, eine erste Lesung, welche die Bandbreite der zu Papier gebrachten Erinnerungen aufzeigte. Die Werke erweisen sich als amüsante Lokalchronik, erzählen aus erster Hand vom Lebensgefühl, den Vergnügungen, aber auch von den Beschwernissen und Lebensverhältnissen früherer Tage. Schauplatz ist Vilbel, das sich vom 6000-Seelen-Ort noch vor dem Zweiten Weltkrieg zu einer 33 000-Einwohner-Kommune entwickelt hat.
Die „Vilbeler Geschichten“ leben vom Rückblick auf gemütliche, oft entbehrungsreiche, aber stets mit ironischem Augenzwinkern erzählte Begebenheiten, die nicht nur Nostalgie, sondern auch verblüffende Momente erzählen. Margrit Glaser berichtet von den „Gronauer Fährleuten“, die in den 1950er Jahren Pendler für fünf Pfennig über die vom Hochwasser geflutete Bahnhofsstraße schipperten – auf dem Metallteller eines ehemaligen Flakscheinwerfers.
Hassia-Seniorchef Günter Hinkel erinnert sich im HdB an den heißen Sommer 1959, als die Brunnenbetriebe der Mineralwassernachfrage kaum nachgekommen seien. 24 Stunden mussten die Wasserlaster rund ums Alte Rathaus warten. Einer der Fahrer war so übermüdet, dass er durch das Geländer der Niddabrücke fuhr. Auch Hinkel selbst musste so sehr mit anpacken, dass er des Nachts einmal aufwachte und von einer Laderampe springen wollte – es war aber ein Fenster im zweiten Stock, wo ihn seine Frau gerade noch zurückgehalten habe.
Mit großer Begeisterung und Freude am Detail erinnerte sich Ingemarie Henning, wie sie als wasserscheues Mädchen im Vilbeler Freibad ihre ersten Schwimmversuche bei Bademeister Muth unternahm. Der lockte sie auf ein bügelbrettartiges Schwimmbrett, worauf sie plötzlich davon gleitete. Alfred Fischer denkt zurück an die Zeit, als seine Familie, Heimatvertriebene, nach Gronau kamen. Und an den Schrecken, den eine Jauchegrube-Toilette bei dem damals Fünfjährigen auslöste, so sehr, dass es zu einem „Missgeschick“ kam.
Der ehemalige Apotheker Kurt Sebald berichtet von einem Anruf, den er 1982 erhielt. Der Nationalspieler Karl-Heinz Rummenigge hatte sich kurz vor einem entscheidenden WM-Spiel in Barcelona eine Muskelverletzung geholt. Eine Sekretärin des Deutschen Fußballbundes bat um ein Medikament. Sebald schaffte es, das Präparat noch rechtzeitig zum Flughafen zu bringen. Mit Erfolg, Rummenigge schoss den entscheidenden Treffer, die Elf wurde Vize-Meister. Peter Gschwilm überraschte Sebald nach der Lesung mit der frohen Botschaft, der Fußballer werde ihm noch ein signiertes Buch der „Vilbeler Geschichten“ schicken.