Bad Vilbel. In der Bad Vilbeler Altstadt gibt es einiges zu entdecken. Ein Nachtwächter-Duo nahm jetzt historisch Interssierte auf einen Streifzug durch die lokale Geschichte mit. Auf den Weg durch vergangene Jahrhunderte machten sich mehr als 60 Bad Vilbeler bei der ersten sogenannten Kostümführung dieses Jahres. Frithjof Schumann und Eckhardt Riescher waren in historischen Nachtwächtertrachten mit hell klingenden Hörnern, warmes Licht spendenden Laternen und einer scharfen Hellebarde zum Treffpunkt vor das neue Bad Vilbeler Brunnen- und Bädermuseum gekommen.
Beim Rundgang mit dem gewitzten Duo durch die Innenstadt entdeckten und hörten die Teilnehmer vieles aus drei Jahrhunderten, was ihnen die Mauern beim Flanieren nicht erzählen können. So sei der Name „Vilbel“ einmalig in der Welt.
Auf ihrer nächtlichen Tour machten die Nachtwächter mit ihren Gruppen an mehr als 20 Orten Halt. Dort gönnten sie sich jeweils einen kräftigen Schluck ihres flüssigen Proviantes, um danach Vilbeler Geschichten, Legenden und Anekdoten auszuplaudern. Zahlreiche Geschichten handelten „von großen und kleine Schurken“, welche einst die braven Bürger der Stadt bedrohten.
Zuvor jedoch warben beide für ihren seinerzeit unterschätzten Berufsstand. Genossen sie doch einst im sozialen Gefüge der Stadt, trotz ihrer wichtigen Funktion, nur geringes Ansehen. „Gerade einmal 20 Gulden im Jahr ist den Stadtoberen unser Dienst von 21 Uhr bis drei Uhr als singende und blasende Nachtwächter wert“, empörte sich Frithjof Schumann. „Bürger, die uns begegnen, wollen freundlich gegrüßt, Diebe an die Polizei übergeben, Brände der Feuerwehr und dem Bürgermeister gemeldet werden. Und dies bei jedem Wind und Wetter, ohne in Wirtshäuser einzukehren“, fuhr er fort.
An festgesetzten Stationen stimmte das Duo zu jeder vollen Stunde ein Lied an. Um 23 Uhr erklang: „Hört ihr Leut’ und lasst euch sagen, unsere Glock hat elf geschlagen. Elf der Jünger waren treu, einer betrieb Verräterei.“ Alle Stundenlieder endeten mit dem bittenden Refrain: „Menschen wachen kann nichts nützen. Gott muss wachen, Gott muss schützen. Herr in deiner Güte und Macht, schenk uns eine gute Nacht.“
Der Dienstraum der wachsamen Männer befand sich im Alten Rathaus. Dies altehrwürdige Gebäude wurde in drei Abschnitten errichtet. Das Untergeschoss um 1498, das Obergeschoss aus Fachwerk mit den kunstvoll bemalten Eckpfeilern um 1733. Erst 50 Jahre später wurde der Weinkeller gebaut.
Bevor die Nachtwächter einst auf Tour gingen, überzeugten sie sich, dass sie keine „Marodeure, Eier- und Hühnerdiebe, Hausierer und Zinker“ als Begleiter hatten. Diese warnten mit „Zinken“ (Zeichen) an Gebäuden andere Lichtscheue vor bissigen Hunden, ob es sich lohne, fromm zu tun, ob es eine Mahlzeit gebe oder die Polizei gerufen werde.
Zur Sprache kam auch viel Wissenswertes über die Wasser- und Sandbuben sowie über den „Brunnenkrieg“, den die Besitzer von 36 Brunnen rund ums Alte Rathaus führten. Die hessischen Gesetze gestatteten eine maximale Bohrtiefe von 15 Metern, während die preußische erlaubte, so tief zu bohren wie man wollte. Dazu gab es Informationen über den Badebetrieb des Carl Brod, die Heilkraft des Vilbeler „Sauerbrunnens gegen Leibesblödigkeit“ und den Gesteinskegel am Marktplatz. Weitere Stationen waren das im barocken Stil erbaute Pfarrhaus von St. Nikolaus, Wasserburg und Zehntscheune, der Lohgerber Brunnen, jüdischer Friedhof und Alte Mühle. Vorbei gings am einstigen Armenhaus in der Gronauer Straße 4 zum großen Haus in der Lohgasse 27, wo Vieh und Mensch unter einem Dach lebten. Die „Fulderkist’“ und der „Goldene Engel“ gegenüber markierten die Endpunkte der beiden unterhaltsamen Touren.