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Viel Politik, wenig Kirche

Bad Vilbel. „Wir haben zwar auch bei den vergangenen ,Kirche anders’ dieser Saison Stühle dazuholen müssen, aber heute sind es noch einmal mehr“ bemerkten Steffen Kreiling und Sylvia Becker-Pröbstel als Moderatoren des Nachmittags. Unter den zahlreichen Besuchern waren auch Politiker unterschiedlicher Parteien. „50 Jahre Christuskirche“ ist das Motto des Jubiläumsjahres.

Und „mittendrin“ stimmt sowohl für das Gründungsjahr 1962, in dem die evangelische Gemeinde vom Stadtrand ins Zentrum gezogen ist, als auch für 2012 für vielfältige Kooperationen und Vernetzungen der Kirchengemeinde in die Stadt hinein. Das wurde bei „Kirche anders“ exemplarisch deutlich und sowohl dem politischen Pfarrer Klaus Neumeier als auch dem christlichen Politiker Thomas Stöhr gebührt Anerkennung für ihre erkennbare Offenheit und Dialogfähigkeit.

Vor ihrer gemeinsamen Predigt jedoch war der Chor Gospeltrain an der Reihe. Als „Weltpremiere“ gab es ein Christuskirchen-Rap, der von einer ganz besonderen „Boygroup“ vorgetragen wurde: Thorsten Mebus und Klaus Neumeier als Rapper sowie Uwe Schmidt, Matthias Meffert und Gerald Wollmann als Akustik-Gruppe erzählten vom Leben der Gemeinde und ernteten stürmischen Applaus.

In der Predigt waren sich Stöhr und Neumeier zunächst einig, dass sie sich als Christen an Jesus orientieren wollen. Wie politisch oder gar revolutionär Jesus war, ist dabei aber bereits Definitionssache. Stöhr betonte, dass Jesus grundsätzlich alle Gewalt ablehnte und – anhand einer ihm gestellten Steuerfrage – betonte, man solle dem Kaiser geben, was ihm gebührt. Neumeier stimmte dem zu, ergänzte aber die revolutionäre Gesellschaftshaltung Jesu bei seinem Kontakt mit unterschiedlichsten Randgruppen seiner Zeit und seine provokante Freiheit im Umgang mit den Geboten. Dieser Jesus sei für ihn als Politiker tatsächlich Richtschnur, bekannte Stöhr. In diesem Sinne verstehe er auch das „C“ in seiner Partei nicht als Ausschluss Andersgläubiger, sondern als Werteorientierung und Kompass. Ein wenig Neid klang durch, als er bekannte, dass Jesus es nicht nötig gehabt habe, auf Mehrheitsmeinungen und Umfragen Rücksicht zu nehmen.

Neumeier sprach vom Auftrag, die Schöpfung zu bewahren und zu gestalten und vom Gebot der Nächstenliebe, das einen Christen immer mitten in die Welt verweise.

Zum Miteinander von Kirche und Staat, Glaube und Politik betonten beide übereinstimmend die Absicht einer guten Nachbarschaft und Kooperation und führten dazu verschiedene lokale und gesamtgesellschaftliche Beispiele an. Bürgermeister Stöhr wies darauf hin, dass der Wille zur Kooperation mit Kirchen und anderen freien Trägern zum Beispiel im Kita-Bereich auch in der Wetterauer Umgebung nicht selbstverständlich sei. Neumeier ergänzte, die öffentliche Hand solle nur dann Aufgaben selbst ausführen, wenn keine geeigneten freien Träger zur Verfügung stünden. In diesem Sinne wünschte er eine Kommune, „die sich nicht in erster Linie als (Selbst-)Macher begreift, sondern als Ermöglicher und Vernetzer“. Als Oberhaupt der Stadt wünschte sich der Rathauschef engagierte Mitbürger und „eine lebendige Gemeinde“.

Mehr noch als in der Predigt ging es bei „Frage und Antwort“ zum Schluss noch um konkrete Vilbeler Verhältnisse und Sylvia Becker-Pröbstel und Steffen Kreiling hatten dabei viele Fragen aus dem Publikum vorzulesen. (sam)