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Viel Glück im neuen Jahr!

Viele gute Wünsche sprechen wir zu Beginn eines neuen Jahres aus. Möge es für meine Mitmenschen und für mich selber ein gutes und ich meine damit, ein glückliches Jahr werden. Sind das nur fromme Wünsche? Nein, ich denke, dass sie ernst gemeint sind. Aber gleichzeitig stimmt doch auch: Keiner von uns kann auch nur einen Tag vorausschauen und wissen, ob alles gut und glücklich ausgeht. Jedenfalls so, wie ich es gerne hätte.

Ich habe da eine kleine Geschichte gelesen (von Hans Wilhelm), die uns helfen kann, unsere gutgemeinten Wünsche genauer zu betrachten. Sie handelt von einem Teppichknüpfer im Land der Morgenröte. Dieser saß tagaus und tagein an seinem Webstuhl und knüpfte farbenreiche und kostbare Teppiche, während sein Enkel die Schafe hütete. Da wurde dem Teppichknüpfer in einer mondlosen Nacht ein Schaf gestohlen.

Die Nachbarn eilten zu ihm und voller Zorn sagten sie: „Wir müssen den Dieb fangen! Er muss bestraft werden!“ Aber der Teppichknüpfer fuhr mit seiner Arbeit fort und sagte ruhig: „Es geschieht alles zu unserem Besten.“ Diesen Spruch verstanden die Nachbarn überhaupt nicht. Anderntags wurde der Dieb gefasst und dem Richter übergeben. Der bestimmte, dass der Dieb das Schaf zurückgeben und dazu sein prächtiges Pferd überlassen musste. „Was bist du für ein glücklicher Mann“, riefen die Nachbarn, „das Schicksal meint es gut mit dir.“ Der Teppichknüpfer sagte nur dazu: „Es geschieht alles zu unserem Besten.“ Es geschahen dann noch andere merkwürdige Dinge, die dem Teppichknüpfer sowohl Glück als auch Unglück brachten. Und jedes Mal sagte er nur: „Es geschieht alles zum Besten.“ Diese Gleichmütigkeit machte die Nachbarn zornig. Als dann dem Enkel das Missgeschick passierte, dass er vom Pferd fiel und sich das Bein brach, und sie hörten wieder den gleichen Spruch wollten sie mit ihm nichts mehr zu tun haben. Einige Tage später zogen Gesandte des Königs durchs Dorf und suchten Soldaten für den Krieg. Die Mütter, Ehefrauen und Kinder weinten, als alle tauglichen Männer fortgeführt wurden. Alle gesunden Männer mussten mit – aber nicht der Enkel des Teppichknüpfers. „Großvater“, sagte der Junge, als er half, denTeppich vom Webstuhl abzunehmen, „warum sagst du immer: „Es geschieht alles zu unserem Besten, selbst wenn schlimme Dinge passieren?“

„Ich verrate dir ein Geheimnis“, sagte der Teppichknüpfer, während sie den Teppich auf dem Boden ausbreiteten. „Ich sehe und erwarte immer nur das Beste – selbst in meiner dunkelsten Stunde. Selten wissen wir den Grund, warum uns gute oder schlechte Dinge widerfahren“, sagte er. „Das Leben gleicht der Rückseite eines Teppichs: Wir sehen viele Fäden in unterschiedlichen Farben. Die Fäden laufen kreuz und quer und scheinen überhaupt keinen Sinn zu ergeben. Aber eines Tages“, fuhr er fort, indem er den Teppich umdrehte, „wenn wir diese Erde verlassen, werden wir die rechte Seite des Teppichs sehen und wir werden erkennen, dass sich alles zu einem vollkommenen Muster gefügt hat“. Und genauso ist es, schließt diese wunderbare Geschichte.

„Gott nahe zu sein ist mein Glück“, so lautet die Jahreslosung der christlichen Kirchen für das neue Jahr. Der Beter in Psalm 73 (Vers 28) bekennt es frei heraus. Und er wird hier erlebtes und erlittenes Unglück sicher mit einbeziehen. Komme, was wolle – Gottes liebende Nähe ist immer nur ein Wimpernschlag entfernt. Öffnen wir doch im bevorstehenden Jahr oft unsere Augen und Herzen, dass wir vielfältige Erfahrungen dieser Nähe Gottes im Alltäglichen machen, im Glück wie im Unglück: „Es geschieht alles zu unserem Besten.“ Das wünscht Ihnen

Matthias Gärtner,

Pfarrer er Ev. Kirchengemeinde

Dortelweil