Sarah Diefenbach und Daniel Ullrich von der Uni München referieren auf Einladung des Kinder- und Jugendbüros in der Stadtbibliothek zum Thema „Digitale Depression“. Ihre These: Wir verlernen, den Augenblick zu erleben. Das passiert durch den scheinbaren Zwang, ihn dokumentieren zu müssen und möglichst viele Leute im Internet daran teilhaben zu lassen.
Bad Vilbel. „Technik verdrängt das Glück. Technik ist heute überall und immer dabei und jederzeit abrufbar“, sagt Sarah Diefenbach, Professorin für Psychologie und Informatik an der Uni München.
Jederzeit abrufbare Ratschläge zu allen Lebenslagen bis hin zur Überwachung des Trainingsfortschritts via Fitness-Armbänder, dabei immer den Kopfhörer auf den Ohren. Kontakte knüpfe man über Facebook, Instagram zeige, wer man ist oder sein will, und via WhatsApp bleibe man immer in Verbindung mit Freunden und Familie.
Überhöhte Darstellung
„Es gibt viele Möglichkeiten, um das Leben aufregender, interaktiver, schneller, lauter und bunter zu machen – aber auch glücklicher?“, wirft der Post-Doktorand am Lehrstuhl für Medieninformatik, Daniel Ullrich, die Frage in den Raum und fordert die Zuhörer zur Diskussion auf.
Die negativen Effekte seien bei Smartphone-Nutzern Nacken- und Rückenschmerzen durch die vorgebeugte Haltung, auch ein um bis zu 30 Prozent verringertes Lungenvolumen. Auf der psychischen Ebene sei das Glücksempfinden verändert. „Wir tracken, was geht: Zeiten im Sport, Wiederholungen, verbrannte Kalorien. Durch das Aufzeichnen der Daten berauben wir uns der schönen Erlebnisse, die das Potenzial für positive Erinnerungen hätten“, erläutert Ullrich.
Soziale Netzwerke dienten als Schablone für ein erfolgreiches Leben. Eine dort überhöhte Selbstdarstellung, um möglichst viele tolle Bewertungen zu erhalten, erhöhe den sozialen Vergleich im Netz und steigere den Wettbewerb der geschönten Selbstdarstellung. „Da das Leben der anderen dann immer erfolgreicher und auf Hochglanz getrimmt erscheint, empfinden wir unser Leben als klein und mies.“
Wie wir wahrnehmen
„Auf einer Urlaubsreise nach Gomera drängelten sich die Menschen bei jedem Sonnenuntergang und zückten ihre Smartphones, um das beste Foto zu schießen“, erzählt Diefenbach. „Von dem realen Moment wird nichts mit den eigenen Sinnen eingefangen.“ Eltern und die Schule seien gefordert, den sinnvollen Umgang mit sozialen Medien herauszuarbeiten.
Im Anschluss melden sich Zuhörer zu Wort, so wie Axel Hirsch aus Bad Vilbel: „Die Forschung durch die Autoren setzt sich mit den Problemen auseinander, die die Technik mit sich bringt. Aber das Publikum ist nicht repräsentativ für die Gesellschaft. Die Menschen, die acht Stunden täglich arbeiten, können sich nicht in der Form mit dem Thema beschäftigen. Es dürfte in Deutschland keine Facebook-Betreiberrechte geben, die es erlauben, dass anonym schwachsinnige und menschenverachtende Parolen gepostet werden.“
Kyra Thiemann (21) findet: „Das war spannend. Es ist sehr interessant, wie die Wahrnehmung durch die sozialen Medien beeinflusst wird.“ (cd)