Bad Vilbel. „Es gibt Gedichte wie zum Beispiel ,Für Dich’, die fließen mir in einem Guss aus der Feder. Bei anderen brauche ich Muße. Sie bleiben wochen- oder monatelang liegen, bis ich plötzlich die gewählte Thematik zu meiner Zufriedenheit umsetzen kann. Was viele Leser wissen sollten, Gedichte schreiben ist immer auch ein Stück harter Arbeit“, sagt Josephine Kühner. Die Lyrikerin aus Leidenschaft nahm im letzten Jahr am „XI. Gedichtwettbewerb der Bibliothek deutschsprachiger Gedichte“ teil. Sie ist eine von 10 000 ambitionierten Hobbyautoren gewesen, die ein Gedicht zu einem Thema ihrer Wahl zur Jury der 1997 gegründeten Bibliothek deutschsprachiger Gedichte nach Gräfelfing, im Landkreis München, schickten. Und hofften, zu den Preisträgern zu gehören.
Die Konkurrenz ist groß. Bei dem jährlichen Gedichtwettbewerb handelt es sich um eine der großen deutschsprachigen Poesieveranstaltungen. „Meine Tochter ermunterte mich, das Gedicht ,Nur für Dich’ einzusenden. Sie ist meine beste Kritikerin und hat mit ihrer Wahl recht behalten.“ Im August traf in Massenheim, wo die gebürtige Frankfurterin seit Ende 2006 wohnt, die Antwort der Jury inklusive eines kompetenten und konstruktiven Feedbacks ein. Josephine Kühner gehörte zu den ersten 100 Preisträgern. Ihr Gedicht wurde in der Anthologie mit den besten Beiträgen veröffentlicht und von einer professionellen Sprecherin für das Hörbuch mit den Preisträger-Gedichten aufgenommen. Zusätzlich erhielt die Lyrikerin einen Buchpreis zugesprochen.
Ihre große Liebe zur Poesie entdeckte die 53-Jährige als ABC-Schützin: „Meine erste Klassenlehrerin hatte ein Faible für Literatur, Prosa und Poesie. Ihre Vorliebe fiel bei mir auf fruchtbaren Boden. Mir gefielen vor allem Gedichte, die ich gern vortrug wie Theodor Fontanes „Herr von Ribbeck auf Ribbeck“. Mein erstes eigenes Gedicht „Lügen“ schrieb ich mit acht Jahren“, berichtet Josephine Kühner. Eltern und Großeltern glaubten dem fantasievollen Mädchen jedoch nicht, dass sie die Verfasserin der Verse war. „Sie glaubten, dass ich das Gedicht irgendwo abgeschrieben hätte.“ Noch heute kostet es sie aufgrund dieser frühkindlichen Erfahrung große Überwindung, mit ihren Gedichten und Aphorismen an die Öffentlichkeit zu gehen. „Durch Gitterstäbe aus klugen Worten schauen unsere Gefühle in die Welt und hoffen vergebens auf Besuch von draußen“, schreibt sie in „Gefängnis“. Dabei ist Josephine Kühner eine Frohnatur, die gern und viel lacht.
Ihre Gedichte wurden bereits in mehreren Anthologien verschiedener Verlage und Jahrbüchern wie denen der „Frankfurter Bibliothek“ der Brentano-Gesellschaft abgedruckt. Mit dem Hauptschulabschluss in der Tasche, lernte die verkannte Dichterin auf Wunsch der Eltern den „Brotberuf“ Bürokauffrau mit Schwerpunkt Buchhaltung. Ihm ist sie, nur unterbrochen durch eine Familienphase, bis heute treu geblieben. Ihrer Leidenschaft, Gedichte und Aphorismen zu schreiben, aber auch.
„Meine Arbeit lässt mir wenig Zeit zum Schreiben.“ Mit 17 Jahren heiratete sie, bekam sodann eine Tochter und einen Sohn. Mit 21 Jahren, nach der Geburt ihrer Tochter, fing sie wieder zu dichten an. Inspiriert wurde sie durch die Lektüre so unterschiedlicher Autoren wie Hermann Hesse, Theodor Fontane „Das Poetische hat immer recht, es wächst weit über das Historische hinaus“ aus „Jenny Treibel“, Erich Fried, Christiane Allert-Wybranietz oder Annette von Droste-Hülshoff. „Letztere finde ich schon immer auch als Person interessant. Ihre Verse ,Und kann ich dann kein Leben bluten, / So blut‘ ich Funken wie ein Stein’, aus dem Gedicht ,Am Feste Mariä Verkündigung’, habe ich vor vielen Jahren zum ersten Mal gelesen und nie wieder vergessen. Sie gehört für mich zu den Frauen, die von der gesellschaftlichen Norm abweichen. Die ihr Leben nach ihren eigenen Vorstellungen leben. Solche Frauen finde ich faszinierend.“ Anregungen zu den Themen ihrer Gedichte findet Josephine Kühner im Alltag. Der Umgang vieler Erwachsener mit Kindern gefiel der jungen Mutter nicht. Sie fasste ihn in die Zeilen: „Kind, du bist Wachs aus meinen Händen, warum kannst du nicht aus Eisen sein?“
„Ich finde die Manipulation von Kindern schlimm. Ich hasse scheinheilige Moralpredigten und verabscheue es, wenn Menschen Angst gemacht bekommen, sagt die zweifache Großmutter. „Zieh deine Masken aus, ich mag sie nicht“, schreibt sie in „Masken“.
„Menschliche Gefühle in ihrer ganzen Bandbreite sind meine Thematik. Damals wie heute“, sagt die kämpferische Lyrikerin. Die gläubige „Frankforder“ Tochter einer bayrischen Katholikin steht zu ihren Überzeugungen „Ich bin keine Kniebankrutscherin“. Ihr sei schon immer wichtig gewesen „die Dinge hinter den Dingen zu sehen“. Ihre Erkenntnisse hielt sie in Hunderten von Gedichten und Aphorismen fest. „Ich werde mit der Zeit mutiger und öffne mich mehr.“ So steht sie inzwischen, nach vielen Jahren Hochdeutsch, auch wieder zu ihrem „Frankforderisch“: „Der liebe Gott bewahr mir mei gut Herz´und mei bös Maul“, lacht sie vergnügt.
Josephine Kühners großer Traum: Einen seriösen Verlag zu finden und einen eigenen Gedichtband zu veröffentlichen!
Leseproben von Josephine Kühner gibt es auf der von ihr selbst kreierten Website: http://www.josephinekuehner.de/
Josephine Kühner
Für Dich *
Für dich küsste ich
die Füße des Meeres
und bestieg mit dir
die Krone des Berges.
Für dich besang ich
das Trugbild der Maya
und verdiente mit dir
das Moos der Sahara.
Für dich begoss ich
die Zukunft mit Tränen
und frohlockte mit dir
im Strome der Lethe.
Für dich pflückte ich
die Liebe vom Baum
und begrub mit dir
unser Dasein im Traum.
* Das preisgekrönte Gedicht