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Verliebt bis in den Tod – Überzeugende Premiere der Burgfestspiele mit Friedrich Schillers Drama „Kabale und Liebe“

Bad Vilbel. Zwei Lichtgestalten tändeln über die Bühne, herzen und umarmen sich, jagen einander wie zwei verspielte Kinder. Das sind sie auch, Luise und Ferdinand, zwei liebende Kinder allerdings, die erst das größte Glück erleben und dann auf einen Trip durch die Hölle geschickt werden. Denn ihre Liebe darf nicht sein in einer Gesellschaft, in der Fürstenmacht mehr gilt als individuelles Glück.

Bei den Burgfestspielen hatte „Kabale und Liebe“ Premiere, der Klassiker aus der Sturm- und Drangzeit von Friedrich Schiller. Im Jahr 1784 geschrieben, greift der 25-jährige Dichter und wortgewaltige Dramatiker in wuchtiger, manchmal pathetischer Sprache die Lasterhaftigkeit, Tyrannenwillkür und höfische Korruption am Hofe eines absolutistischen deutschen Fürsten an. Schreibt sich von der Seele, was er selber als junger Mensch erlebt hat, als er auf Geheiß des württembergischen Herzogs Karl Eugen sieben lange Jahre an der Militärakademie verbringen musste. Dem Offizierssohn wurde ein Beruf aufgezwungen, das Dichten verboten, die Freiheit geraubt. Zwei Wochen lang arrestierte ihn der Herzog nach der Uraufführung der „Räuber“ 1882 in der Festung Asperg. Schiller entwich und schrieb weiter. Aus seiner Feder floss „Kabale und Liebe“ , in der er das zügellose Treiben bei Hofe, Intrigenwirtschaft, Standesdenken und die Auspressung der Bürger in noch nie da gewesener Weise anprangerte.

Regisseur Harald Demmer lässt auf der Freilichtbühne die unschuldige Liebe des Bürgermädchens Luise und des adeligen Offiziers Ferdinand aufblühen, zeigt einen mutigen aufrechten Vater, den Musikus Miller und den anderen Vater: Der einflussreiche Präsident von Walter erweist sich als skrupelloser Gegenspieler des liebenden Paares und will seinen Sohn Ferdinand am Hofe lancieren: „Zwingen muss man dich, dein Glück zu begreifen, heiratest du die Mätresse des Herzogs, öffnet sich dir die Straße zum Throne“. Doch sein Sohn will nicht, sein Herz gehört Luise. So bringt der Präsident einen gefälschten Liebesbrief ins Spiel, der Luise und Ferdinand auseinander bringen soll.

Manchem unter den Zuhörern mag es zu Anfang schwierig gewesen sein, sich in die Sprache Schillers einzuhören, doch in ihrer Dramatik, Prägnanz und Anschaulichkeit gewann sie immer stärker und zog das Publikum mit sich. Daniel Mutlu spielt Ferdinand als einen leidenschaftlichen jungen und von sich eingenommenen Heißsporn. Luise wird als junge schwärmerische Unschuld auf die Bühne geschickt, fast kindlich im weißen Kleid und Kniestrümpfen, doch mutig in ihrem Beschluss, auf Ferdinand zu verzichten, um ihren Vater zu retten.

Der Kabale, der Intrige, können sie beide nichts entgegensetzen. Die Akteure bei Hofe werden vorgeführt: Wurm, der sich windende Sekretär (Martin Müller), glaubhaft als Einflüsterer und verachtenswerter Liebender. Zum Lachen reizt Hofmarschall von Kalb (Thomas Pohn), ein amüsanter Plauderer und versierter Höfling mit Spitzenmanschetten. Des Herzogs Mätresse Lady Milford in knallrotem Kleid und Pumps zeigt zwei Gesichter: „Ich habe dem Fürsten meine Ehre verkauft, aber nicht mein Herz“.

Eindrucksvoll die Szene, in der ihr Mitleiden mit dem Volk deutlich wird, hat der Herzog doch schon wieder Tausende seiner Landeskinder als Soldaten nach Amerika verkauft.

Sie alle agieren auf einer Bühne, deren versetzte Ebenen Spannung erzeugen. Sparsam werden Akzente im Bühnenbild gesetzt, aber sie wirken umso nachhaltiger: Der schwarze Sessel des Präsidenten thront oben.

Groß ist die Intensität dieser letzten Sequenzen, als Luise fast einen Weg zu Ferdinand findet, ihm seine Stiefel auszieht und in ihrer ganzen Körpersprache ausdrückt: Du bist die Liebe meines Herzens.

Ganz still wurde es da im Publikum und fast schien die Hoffnung zu keimen, dass am Ende noch alles gut wird. Doch der Moment vergeht, der eifersüchtige Ferdinand stößt Luise von sich, tröpfelt Gift in die süße Limonade. Er trinkt bewusst davon, sie nichtsahnend. Beide sterben und zurück bleiben vernichtete Väter.