Bad Vilbel. 175 000 Wetterauer von Butzbach über Friedberg bis Karben haben ab Januar nur noch eine Anlaufstelle, wenn sie abends oder am Wochenende ärztliche Hilfe benötigen: Künftig werden sie vom Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD) im Facharzt- und Servicezentrum des Bad Nauheimer Hochwaldkrankenhauses versorgt. Der ärztliche Besuchsdienst wird weiter von Friedberg aus organisiert.
Noch vor vier Wochen habe Dr. Wolf Eckert als Obmann des bislang noch in Friedberg angesiedelten Bereitschaftsdienstes für Karben angefragt, ob der Bad Vilbeler Notdienst das mitübernehmen könne, erinnert sich Peter Zierz. Als nächstes habe man von der vollzogenen Fusion zum ÄBD erfahren. „Wir sind keine Bittsteller“, betont der Bereitschaftsarzt, denn der Vilbeler Dienst sei sehr gut aufgestellt. „Aber es geht uns um das Wohl der Karbener Bürger.“
Bislang kommen 20 Prozent der Patienten aus der Nachbarstadt, berichtet Uwe Freundt, organisatorischer Leiter des Notdienstes. Das können sie auch weiterhin. Hausbesuche aber dürfen die Vilbeler nicht machen. Finanziert wird der Dienst allein von den 29 in Bad Vilbel niedergelassenen Ärzten. Jedoch werde im Karbener Rathaus in Neubürgerbroschüren und Anrufbeantworter-Hinweisen auf die Vilbeler hingewiesen, so Zierz.
Wenn für die Karbener künftig Ärzte aus einem Gebiet bis nach Kirch-Göns zuständig seien, „muss man kein Prophet sein, um lange Wartezeiten vorauszusehen“, meint Freundt: „Das ist logistischer Unsinn.“ Eckert entgegnet, bislang müssten die Karbener maximal drei Stunden warten. Lange Fahrtzeiten würden ihnen schon seit über zehn Jahren zugemutet, wenn sie den Apotheken-Notdienst benötigen, meint der Wöllstädter Allgemeinmediziner. Eckert erinnert daran, dass es schon 1998 vom damaligen Karbener Bürgermeister Detlev Engel (SPD) heftige Proteste gegeben habe, als die Karbener Ärzte sich dem Friedberger Notdienst anschlossen. Er habe gerade mit Ehrenbürgermeister Engel telefoniert, berichtet Zierz, „dem stinkt’s gewaltig.“ Auch Bürgermeister Guido Rahn (CDU) betont: „Ich hätte lieber Bad Vilbel und Karben zusammengehabt – weil’s näher liegt.“ Doch die Ärzte hätten selbstverantwortlich entschieden. Und dabei keinen Kontakt zum Rathaus gesucht. Rahn gibt die Hoffnung nicht auf, dass dennoch nicht das letzte Wort gesprochen ist: „Wir beobachten das Ganze.“ Auch will er das Gespräch mit seinem Vilbeler Amtskollegen Thomas Stöhr (CDU) suchen. Stöhr sagt, er wolle „gerne behilflich sein“, um den Karbenern weite Wege zu ersparen und die Vilbeler Station wirtschaftlich zu stärken.
Der „eigentliche Hauptgrund“ für die Fusion, so Eckert, liege in einer gewandelten Balance von Beruf und Arbeit. 70, 80 Arbeitsstunden in der Woche muteten sich die jüngeren Mediziner nicht mehr zu. Wenn sie als Hausarzt zu dem Bereitschaftsdienst herangezogen würden, sei das oft ein K.O.-Kriterium für die Übernahme einer Hausarztpraxis. Derzeit seien zwei Drittel aller Wetterauer Ärzte über 50 Jahre, hätten Probleme, einen Nachfolger zu finden.
Mit dem ÄBD haben die 240 dort zusammengeschlossenen Ärzte dieses Problem nicht mehr. In Bad Nauheim gibt es einen Pool von 40 Bereitschaftsärzten, Klinikärzte, die einen Nebenverdienst suchen, Ärzte, die hauptberuflich Notdienste machen und junge Ärzte, die die Schulden ihrer Praxisgründung abtragen müssen, so Eckert. Dem widersprechen die Bad Vilbeler. Auch hier werde kein Hausarzt zu Notdiensten gezwungen. Der tatsächliche Grund für die Karbener Ärzte sei das Geld, so spekuliert Zierz: „Sie gehen davon aus, dass sie das weniger kostet.“
Im Gegensatz etwa zu Bad Vilbel, wo nur ein Bereitschaftsarzt da ist und die Ambulanz bei Hausbesuchen verwaist, ist beim ÄBD stets ein Arzt vor Ort und ein zweiter auf Hausbesuch unterwegs, dort assistiert von einem nichtärztlichen Kollegen, der die bürokratischen Dinge erledige, argumentiert Eckert. Mehr Ärzte, längere Dienstzeiten: Nicht nur am Wochenende und von 19 bis 7 Uhr, sondern mittwochs und freitags schon ab 12 Uhr sind die Bad Nauheimer künftig erreichbar. Der Bad Vilbeler Bereitschaftsdienst sei aber schon jetzt als einziger in der Region auch außerhalb der Praxis-Vertretungszeiten Tag für Tag 24 Stunden lang besetzt, so Zierz. Patienten fänden stets einen ärztlichen Ansprechpartner.
Der ÄBD deckt ab Januar ein riesiges Gebiet ab: mit den Kommunen Butzbach, Rockenberg, Ober-Mörlen, Wölfersheim, Reichelsheim, Echzell, Florstadt, Friedberg, Rosbach, Wöllstadt, Niddatal, Bad Nauheim und Karben. „Vielleicht kommen die Vilbeler in einem Jahr dazu, als Außenstelle“, sinniert Eckert – „oder sie werden irgendwann von Frankfurt geschluckt“. Seite 5