Bad Vilbel. Ziemlich skurrile Wellen schlug unser Bericht „Der Vorleseonkel“ im BVA vom 7. März, Seite 8, über einen im Grunde genommen geradezu beispielhaften Einsatz von Senioren, wenn da nicht das Wörtchen „wenn“ wäre, dazu eine herzhafte Brise Unverstand und jede Menge Misstrauen. Jochen Zeitler beschreibt nachfolgend, wie bei Sonnenschein und aus heiterem Himmel plötzlich eine kleine Lawine ins Vilbeler Tal donnerte.
Am Samstag, zwei Tage nach dem Erscheinen des Artikels „Der Vorleseonkel“ – übrigens sehr gekonnt umgesetzt, Frau Fauerbach – erhielt ich ein Telefonat mit folgendem Ablauf:
„Dame“: Sind Sie der Vorleseonkel? Icke: Ja! „Dame“: Sie haben in einer Kita nichts zu suchen, Sie haben pädophile Züge, der Knabe sitzt auf ihrem Knie! Pfui! Das Ganze hat noch ein Nachspiel! Icke: Mit wem habe ich das Vergnügen? „Dame“: tut nichts zur Sache.
Icke: Dann kann ich ja auflegen – gesagt, getan!
Am Samstagnachmittag traf ich „Kumpel“ Klaus D., und erzählte ihm von dem Telefonat. Er empfahl mir die Besorgung eines „polizeilichen Führungszeugnisses“.
Am Montag bin ich ins Bad Vilbeler Bürgerbüro gegangen. Eine Woche Wartezeit, 13 Euro Gebühr. Ergebnis: Ein Dokument, offiziell „Erweitertes Führungszeugnis“ vom Bundesamt für Justiz, Adenauer Allee 99-103, 53113 Bonn, mit einem DIN A4 großen Bundesadler im Hintergrund. Inhalt: „Keine Einträge“.
Eine Kopie ging an meinen „Arbeitgeber“, den „Verein für soziales Engagement und Nachbarschaftshilfe Bad Vilbel e.V.“ Die zweite Kopie übergab ich am Vorlesemittwoch der Leiterin der „Kita Kunterbunt“, und bekam einen Schuss vor den Bug. „Den Artikel haben Sie mir zur Genehmigung vorgelegt, soweit o.k., aber das Foto nicht, sie brauchen von jedem abgebildeten Kind die Genehmigung der Eltern!“
Vorläufige Moral von der ganzen Geschichte: Ich werde mittwochs kein Kind mehr aufs Knie nehmen, zweitens werden ich den Kids das Bilderbuch in die Hand geben und ich trage den dazugehörigen Text frontal vor, zurzeit noch ohne Trennscheibe zwischen uns. Vielleicht sollte ich auch noch eine Erzieherin – die Kita hat ja bekanntlich eine „riesengroße“ Anzahl zur Verfügung – um ihre Anwesenheit bitten.
Lieber Klaus D., nochmals vielen Dank für den Tipp „Erweitertes Führungszeugnis!“
Aber es gibt auch viele positive Echos auf den Artikel, meinen beziehungsweise unseren Bericht habe ich auch meinem ehemaligen Chef, Ludwig T. (92), zugesandt. Ergebnis: Ein Riesenpaket von Kinderbüchern seiner vier Kinder. Ich, sofort ans Telefon, „Danke, Ludwig, große Freude bei uns!“ Ludig T. antwortete: „Lieber Jochen, sorry, Johnny Joe, bereits vor 35 Jahren hast du deinen Vorgesetzten ständig ,Märchen aufgetischt““. Das baut auf.
Johnny Joe
(alias Jochen Zeitler),
Bad Vilbel