Karben. »Heiraten to go« lautete am Samstag das Angebot in den evangelischen Kirchen in Klein-Karben und auf dem Heilsberg. Im 20-Minuten-Takt kamen die Paare, um sich unkompliziert das Jawort zu geben und den kirchlichen Segen zu bekommen.
So etwas hat die Klein-Karbener Kirche in ihrer langen Geschichte bestimmt noch nicht gesehen: Hochzeitspaare im fliegenden Wechsel, Trauungen im 20-Minuten-Takt und ein Pfarrteam, das Schicht schiebt. Beim »Heiraten to go« in St. Michaelis geht es Schlag auf Schlag. Wer sich etwas verspätet, sitzt eventuell schon bei der nächsten Trauung. Nein, die evangelische Gesamtkirchengemeinde Karben ebenso wie die Heilig-Geist-Gemeinde auf dem Heilsberg möchten mit dieser Aktion, die Teil des Sommerangebots »Einfach heiraten« der Landeskirche ist, keinen Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde. Vielmehr geht es darum, ein Format zu präsentieren, das für frischen Wind in den Kirchen sorgen soll.
Empfang im
Gemeindehaus
Passend zum Anlass zeigen sich Gemeindehaus, Freilichtbühne und Kircheninneres in festlichem Dekor. Gemeindemitglieder aus verschiedenen Karbener Stadtteilen haben den langen Hochzeitssamstag vorbereitet. Im Gemeindehaus werden die ankommenden Hochzeitspaare und deren Anhang zunächst in Empfang genommen – auf Wunsch mit einem Gläschen Sekt. Abhängig davon, welche Pfarrperson anschließend die Trauung vollzieht, kommen nun wechselweise Nadia Burgdorf, Simba Burgdorf, Christian Krüger oder Eckart Dautenheimer zum Einsatz. Nach einem kurzen Gespräch geht es schnörkellos zum Traualtar. Zwei provisorische Altäre stehen unter freiem Himmel bereit. Geheiratet wird an diesem Tag aber auch ganz klassisch in der Kirche. 30 Paare haben das unkomplizierte Konzept in Klein-Karben genutzt. Beim Vorbereitungstreffen vor einigen Wochen waren es 16 Anmeldungen, kurz vorm Termin dann 28 Paare, zwei entschlossen sich spontan, »Ja« zu sagen.
Martin und Susan Sill gehören zu dem Kreis der Neu- oder Erneut-Heiratswilligen. »Ja« gesagt haben beide schon im Jahr 2007. Seit 2013 wohnen sie in Karben. Martin Sill stammt ursprünglich vom Bodensee, seine Frau aus Dresden. Zum Termin in St. Michaelis ist das passionierte Bergsteigerpaar in zünftiger Tracht erschienen.
Ältester Bräutigam
ist über 90
»Meine Frau hat mich alle zwei Wochen gefragt, ob ich sie noch einmal heiraten würde«, verrät der Karbener Feuerwehrmann. Schließlich habe er sich zu diesem Schritt gerne überreden lassen. Mit dabei sind Mutter, Tochter, Nichte und Hund.
Während der Segnung des Paares auf der Freilichtbühne wählt Pfarrer Burgdorf sehr persönliche Worte. Er vergleicht ihr gemeinsames Klettern an Felswänden mit dem gemeinsamen Erklimmen jener Wände, die sich im Leben auftürmen. »Aber Gott hängt immer mit am Seil«, verspricht Burgdorf.
Diese Art der Ansprache ist sein Markenzeichen. Das hat ihn nicht nur in Karben bekannt gemacht. Und doch betritt auch der spontane Pfarrer an diesem Tag Neuland. Das neue Format ist wie ein Versuchsballon, der aufsteigt, um den Horizont zu erweitern. Nadia Burgdorf ist hingegen die positive Anspannung deutlich anzumerken. Nach den ersten Trauungen habe sich ihre Aufregung etwas gelegt. Aber die vergangene Nacht sei sehr unruhig gewesen. »Es kommen so viele unterschiedliche Menschen, das ist beeindruckend«, sagt Nadia Burgdorf.
Am deutlichsten wird dieser Unterschied beim Alter der Protagonisten. »Die Altersspanne beträgt 70 Jahre«, verrät Pfarrer Eckart Dautenheimer. »Die jüngste Person, die sich angemeldet hat, ist 21 Jahre, die älteste wird in zwei Wochen 91 Jahre alt.« Das ist Günter Lippert. Der Okarbener schwärmt von der gerade erlebten Trauung, die »sein Pfarrer« Dautenheimer vollzogen hat. Nach 30 Jahren hat er seine Lebensgefährtin Gerda Weißflog zur Frau genommen. Noch inniger sei jetzt ihre Beziehung, die Zusammengehörigkeit noch tiefer. »Und die neue Aktion ist sicher ein Erfolg für die Kirche. Auf jeden Fall ist sie für die Zukunft sehr zu empfehlen.« Den Freudentag wollen die beiden zu zweit genießen. »Wenn wir zu Hause sind, backe ich einen Kuchen für uns«, sagt Gerda Weißflog.
Wie es mit dem Event in Karben weitergeht, wird sich zeigen müssen. Denkbar wäre zum Beispiel eine Wiederholung der Aktion in zwei Jahren und dann immer im Wechsel mit dem Tauf-Fest in der Nidda. So lassen es die Eindrücke vom Samstag zumindest vermuten.
Von Jürgen Schenk