Wenn ihm seine Schrift nicht gefiel, riss er die Seiten aus seinen Schulheften, das bekannte er in einer seiner beliebten Predigten. Später wurde ihm klar, dass sich manches nicht ändern lässt. Doch er hat auch erkannt, dass es sich lohnt zu helfen, sich einzusetzen, nicht still zu sein, seinen Weg zu gehen – auch wenn er nicht immer leicht ist. Ernst Rohleder ist inzwischen seit 30 Jahren Pfarrer in der evangelischen Andreasgemeinde in Büdesheim.
Schöneck. Im Advent 1984 kam der junge Pfarrer, 26-jährig mit Ehefrau Karin, Sohn Martin und den Töchtern Kathrin und Christina in die Gemeinde. Er erinnert sich: „Wir wurden mit offenen Armen sehr herzlich hier aufgenommen.“ Inzwischen kennt er drei Generationen der Kirchenmitglieder.
Sein Amt hat ihn geprägt – ein 12- bis 14-Stundentag, sieben Tage die Woche, meist Termine, die durch Notwendigkeiten von Außen bestimmt werden. Etwa 750 Beerdigungen hat er begleitet, „das ist die Hälfte der Gemeindemitglieder“, berichtet er betroffen.
Natürlich gab es auch Taufen, die gerade durch die Neubaugebiete zugenommen haben. Doch besonders, wenn er junge Menschen, oder gar Kinder beerdigen musste, hat er lange daran zu „knabbern“, wie er sagt. Ihm ist wichtig, dass Menschen sich erinnern, dass jeder Tag auch der Letzte sein könnte. „Das verändert den Blick auf das Leben“, sinniert er nachdenklich.
Wenn er lächelt, wirkt der Seelsorger wie ein enthusiastischer Jugendlicher. Dabei ist er ein gründlicher Denker, meist erlebt man ihn ernst, gemäß seinem Vornamen.
Bewegende Predigten
Überhaupt sind die Sterbebegleitung und Hospizarbeit seine besonderen Anliegen. Eine wahrhaftig schwierige Aufgabe, doch wenn der Geistliche darüber spricht, glänzen seine Augen, wirken hellwach. „Sterbebegleitung als Element des Gemeindeaufbaus“ sieht er als Chance. Denn „das Ende bewusst zu sehen, bringt das Leben nach vorne“. Er hat eine Hospizgruppe gegründet, acht Sterbebegleiter ausgebildet, den Diakonieverein initiiert, den Bau des Gemeindehauses mit geplant und zahlreiche Projekte angeschoben.
Groß geworden in den Sechziger Jahren wollte er verändern – und sah das Theologiestudium mit dem Ziel Pfarrer zu werden als geeignet, Dinge zu bewegen. Das ist ihm auch in vielen Fällen gelungen. Doch es gab auch Niederlagen. Aufgegeben hat er nie. Sein Wirken hat Vieles bewegt, doch er ist bescheiden, eher schüchtern, wenn es um ihn persönlich geht. Nachdenklich resümiert er: „Wenn ich aus dieser Welt abtrete, erwarte ich nicht, dass ich jemandem etwas bedeutet habe. Das können nur andere beurteilen. Aber ich wünsche mir, dass keiner durch mich unglücklicher geworden ist.“
In seiner Gemeinde sind besonders seine Predigten bewegend und anerkannt. Seine spirituellen und organisatorischen wie auch sozialen Ideen und Inspirationen werden von den Gemeindemitgliedern meist gerne mitgetragen. In den letzten Jahren hat der Seelsorger die Andreas-Kirche zunehmend auch für Kunst und Kultur geöffnet. Mit Konzerten unterschiedlicher Genres ist es ihm gelungen die Kirche immer wieder zu füllen. „Ich bin doch froh, wenn die Menschen kommen – das muss ja nicht immer ein Gottesdienst sein.“ Ist dieser Mann auch aus der Reserve zu locken? Freimütig bekennt er: „Ja, wenn Menschen interesselos sind oder ketzerisch gegen Gott und die Kirche wettern. Bei genauerem Betrachten geht’s meist nicht um christliche Inhalte, sondern um eine mangelnde Reflexion dem Leben gegenüber.“ Solches Verhalten mache ihn „kiebig“. Sein soziales Engagement und seine Familie geben ihm die Kraft, all das Schwere seiner Arbeit zu bewältigen. Doch es ist auch die Frömmigkeit als respektvolle Haltung im Sinne einer Ehrfurcht und Staunen über Gott, das Leben und den Kosmos.