Lediglich 66 Betreuungsfälle verzeichnet die Suchtberatung Bad Vilbel und Karben für 2012 – was freilich daran liegt, dass Suchtberater Lutz Illhardt ein halbes Jahr lang krank war. Dennoch gibt’s Grund zur Sorge. Minderjährige griffen immer stärker zu hochprozentigem Alkohol.
Bad Vilbel/Karben. Illhardt kann sich bei der Vorstellung seines Jahresberichtes entspannt zurücklehnen. 20 Jahre ist er Ansprechpartner für Suchtgefährdete und deren Angehörige. 500 bis 600 Personen habe er in dieser Zeit helfen können, schätzt er. Dieses Jahr fällt seine Bilanz notgedrungen reduzierter aus. Von März bis August 2012 war er erkrankt, Kollege Gerhard Rauschenberg übernahm einen Teil der Arbeit.
Genau 66 Beratungen gab es in 2012, davon fast ein Drittel bei 31- bis 40-Jährigen. Knapp zwei Drittel kamen aus Bad Vilbel. Aber auch Klienten aus Friedberg und Frankfurt suchten die für sie anonymere Umgebung in der Friedberger Straße 84 auf. 34 Klienten kamen im Vorjahr wegen Alkoholproblemen, 13 waren Cannabis-Konsumenten, gefolgt von Opiaten (7), Kokain (4), Medikamenten und Amphetaminen (je ein Fall).
Von jenen 32 Betroffenen, die 2012 die Beratung beendeten, waren 78 Prozent abstinent. Aktuell betreut Illhardt 40 Menschen. Der Suchtberater betont, dass alle Klienten freiwillig kommen. 28 Hilfesuchende wurden weitervermittelt zur körperlichen Entgiftung und Sucht-Entwöhnung in Therapieplätze nach Friedberg und Frankfurt. Ambulante Reha-Angebote oder Selbsthilfegruppen wurden elf Personen empfohlen.
Eine Vollzeitstelle
Die Vollzeitstelle des Diplompädagogen Illhardt verteilt sich zur Hälfte auf Prävention und Beratung – und dies jeweils auf Bad Vilbel und Karben. Aufklärungsarbeit leistete er bei Jugendschutz-Rundgängen auf dem Vilbeler Markt, der Kerb in Gronau und Massenheim, in Karben beim Familientag und dem Weihnachtsmarkt. Auch an Schulen ist Illhardt präsent – dies soll weiter ausgebaut werden.
Denn es herrscht große Sorge über den Alkoholkonsum Jugendlicher. „Ich musste schon unter Zwanzigjährige in Therapien vermitteln“, sagt der Berater. Die Suchtkarrieren starteten immer früher, etwa mit 13. Die Folge: Mit 16, 17 Jahren seien die Betroffenen so abhängig, „dass sie eine halbe Flasche Wodka trinken können, ohne umzufallen.“
Wenn er nach Gründen frage, so Illhardt, laute die Antwort – auch von Mädchen: „Wir wollen betrunken sein.“ Der Rausch selbst sei das Ziel, wie bei Drogenkonsumenten.
„Wir haben erhebliche Probleme mit Alkohol, nach der Kerb, dem Anglerfest oder Weihnachtsfeiern“, bestätigt Karbens Bürgermeister Guido Rahn (CDU). Ein Problem, das mit dem Trinken einhergeht, ist, dass die Jugendlichen den Alkohol zu Veranstaltungen mitbrächten. So auf dem Kärber Weihnachtsmarkt 2011. Da habe sich um den nahegelegenen Rewe-Markt durch bereits angetrunkene Jugendliche „eine bedrohliche Situation“ entwickelt, so Illhardt.
Doch 2012 gab es „null Probleme“. Die simple Erklärung: „Der Rewe hat früher zugemacht“, so Rahn – und dies aus eigener Initiative. Plötzlich fehlte den Jugendlichen die Logistik, weiß Illhardt. Auch auf der Dortelweiler Kerb habe er rund um den Platz vor dem Brunnencenter „zu viele Scherben von Fremdgetränken“ entdeckt.
Welche Erziehung?
Illhardt setzt bei seinen Beratungen auf den Ansatz „Sucht ist eine Krankheit“, das habe nichts mit schwachem Willen zu tun. Da ist Hilfe gefragt – auch im persönlichen Umfeld der Betroffenen. Doch dort gebe es eine weitere negative Entwicklung. Seien früher noch Angehörige von Süchtigen gekommen und hätten um Unterstützung gebeten, so gebe es mittlerweile die Erwartung: „Wir haben ein Problem – mach’ mal.“
Offenbar, vermutet Illhardt, scheuten Familienmitglieder und Freunde diese Auseinandersetzung, „weil es Arbeit ist, weil man an eigene Unzulänglichkeiten erinnert wird.“ Er frage sich etwa, was es für ein Erziehungskonzept sei, wenn 14-Jährige nachts um ein Uhr auf dem Markt herumliefen.