„Endlich frei“, bejubeln die einen den Fall des Schornsteinfegermonopols. Doch die von den Brüsseler Wettbewerbshütern seit Jahresbeginn durchgedrückte Wahlfreiheit hat auch für Verunsicherung gesorgt.
Bad Vilbel. Die Kaminkehrerbranche erklärt nun bei jeder Gelegenheit den Kunden, „dass Sie sich künftig selbst darum kümmern müssen, dass ihre Heizungsanlage regelmäßig gekehrt und überprüft wird“ – so zum Beispiel jüngst der Bundesverband des Schornsteinfegerhandwerks. Doch ein Hausbesitzer, der gar nichts tut, hat im Grunde kein Problem. Der bisherige Schornsteinfeger kommt wie gewohnt im Frühjahr zum Kehren.
Der aus Karben stammende ehemalige Bezirksschornsteinfegermeister Friedrich Roth, zuständig für Bad Vilbel zusammen mit Karl-Heinz Lindenstruth (Nidder -au) und Dieter Steinbrecher (Hammersbach), schickt eine Rechnung. Oder der Schornsteinfeger klingelt an der Haustür, wenn er alle dreieinhalb Jahre gegen Berechnung einen neuen Feuerstättenbescheid ausstellen muss.
Ausländische Firmen
Die für Bad Vilbel zuständigen Meister, die jetzt Bezirksbevollmächtigte heißen, verzichten vorerst auch darauf, Verträge mit den Hausbesitzern zu schließen. „Wer einen anderen möchte, kann uns wegschicken.“ Das nehme man in Kauf, heißt es unisono. Unausgesprochen rechnen die Kaminkehrer damit, dass die meisten Hausbesitzer ihnen die Treue halten werden.
Die von der EU verlangte Gewerbefreiheit hat nach dem Wissen der drei Schornsteinfegermeister bisher nicht dazu geführt, dass sich ausländische Firmen in den Kaminkehrermarkt eingeklinkt hätten. Die Auswahl, die der Hauseigentümer hat, bleibt also vorerst auf die niedergelassenen Schornsteinfeger – und das ist nicht nur das genannte „Dreigestirn“ – beschränkt.
Nachdem nun die staatlich festgelegten Preise freigegeben sind, halten sich die Schornsteinfeger in Sachen Gebührensenkung zurück. So sagt der Bezirksbeauftragte Dieter Steinbrecher: „Die Gebühren sind ganz unten, wenn wir vom bisherigen Niveau heruntergehen, muss ich das Geschäft aufgeben.“ Schon die bisherigen, von einer kritischen Lobby jahrelang öffentlich attackierten Gebühren, seien kaum ausreichend gewesen, sagt Uwe Hess aus Mühltal, Obermeister der für einen Bereich von Gießen bis Mainz zuständigen Innung Darmstadt: „In Hessen sind im vorigen Jahr sieben Betriebe pleite gegangen, in unserer Innung mit 174 Betrieben drei.“
Die Verbraucherzentrale Hessen mit Sitz in Frankfurt gibt den Kunden den naheliegenden Rat, „vor dem Besuch des Schornsteinfegers nach dem Preis zu fragen und nicht erst dann zu diskutieren, wenn die Rechnung ins Haus flattert“. Empfehlenswert sei es auch, vorher telefonisch, besser aber schriftlich Preisangebote einzuholen. Wenn es in der Praxis möglich sei, könnten sich auch in Straßen Interessengemeinschaften bilden, „die mit Rücksicht auf Synergieeffekte Preise aushandeln“. Gemeint ist, dass Hauseigentümer das tun, was die Schornsteinfeger bisher schon taten, nämlich ganze Häuserzüge zusammenzufassen, um damit Anfahrtskosten zu sparen.
Der liberalisierte Kaminkehrermarkt kommt freilich nicht ohne staatliche Regelung aus. Der nunmehrige Bezirksbevollmächtigte, also der ehemalige Bezirksschornsteinfegermeister, behält den Überblick. Ihm sind die Berichte zuzusenden, wenn ein anderer als er den Kamin gekehrt hat.