Karben. Der Mais steht so gut wie lange nicht mehr. Jetzt hat die Ernte begonnen – drei Wochen später als im Vorjahr. Die Landwirte sind zufrieden mit dem Ertrag. In Karben fungiert der Mais als Viehfutter und als Energielieferant. Rund 15 Kilometer um die Biogasanlage bauen 40 Landwirte auf 580 Hektar Mais zur Gewinnung von Strom und Gas für Tausende Haushalte an.
Ab Mitte April hat die Aussaat des Mais begonnen. »Im Mai hatten wir einen Kälteeinbruch. Da Mais Wärme liebt, hat sich das Wachstum verzögert«, berichtet Landwirt Andreas M. Gangel. Der Okärber ist einer von 40 Bauern, die in einem Radius von 15 Kilometern rund um die Biogasanlage Karben auf einer Fläche von 580 Hektar Mais zur Gewinnung von Strom und Gas anbauen. Auch sei es im Durchschnitt in diesem Frühjahr und Sommer für Getreidesorten wie Mais und Weizen, aber auch für die Zuckerrüben zu kalt gewesen. »Es hat im Gegensatz zu den trockenen Jahren zuvor viel geregnet, was gut ist, aber die Wärme fehlte«, bilanziert der Landwirt.
Beim Mais seien die Kolben gut besetzt und die Körner prall. Ein Problem für die Landwirte seien Schädlinge wie der Drahtwurm. Er befalle mittlerweile wieder Maispflanzen, auch weil immer mehr Pflanzenschutzmittel verboten würden. Auf betroffenen Flächen drohe der Totalausfall. Zudem hätten auch die Krähen entdeckt, dass die Drahtwürmer wieder an den Wurzeln sitzen, berichtet Gangel. »Sie ziehen die Pflanzen raus, die dann auf dem Acker verdorren.« Auch beim Düngen gebe es neue Vorschriften. So dürften die Bauern bei Frost nicht mehr auf ihre Äcker fahren. »Das Zeitfenster für Landwirte wird immer enger.«
Auf den Feldern rund um die Biogasanlage Karben ist aktuell der Maishäcksler unterwegs. Begleitet wird die selbstfahrende Erntemaschine von einem Traktor mit Anhänger oder einem Lkw. Die breitesten Maishäcksler ernten 14 Reihen gleichzeitig. In ihrem »Maisgebiss« verschlingen sie bis zu 300 Tonnen pro Stunde. »Gehäckselt wird die ganze Pflanze inklusive der Kolben und Körner«, erklärt der Landwirt. Presswalzen verdichten den Mais und führen ihn zu einer Messertrommel. Die Maiskolben werden dort durch einen »Kolbencracker« zerbröselt. Ein Gebläse pustet die nur noch wenige millimetergroßen Pflanzenteile durch ein Rohr hinaus auf den Anhänger.
Kaum sind die Abfahrgespanne mit dem gehäckselten Rohstoff befüllt, bringen sie diesen zur Biogasanlage. Dort fahren die Gespanne auf eine Waage, die in zehn Kilogrammschritten bis zu 50 000 Tonnen wiegt. Nach dem Wiegen geht es weiter zum Abladen vor die Maismiete.
Zersetzung wie im Magen einer Kuh
Ein intensiver Geruch von frisch gemähtem Gras liegt in der Luft. Kaum ist das Häckselgut abgekippt, schon wird es von einem der beiden Walztraktoren, die mit Zusatzgewichten ausgestattet sind, auf die Maismiete geschoben. Dort wird das gesamte Häckselgut bis zu viermal überfahren, bevor die nächste, rund 30 Zentimeter hohe Schicht aufgetragen wird. Immer wieder fahren die beiden Walztraktoren den Silagehaufen hoch und runter, walzen die Luft aus dem Häckselgut heraus, um so das Biogassubstrat richtig zu konservieren. Durch das Silieren werde der Mais haltbar gemacht und optimal für die Bakterien in der Biogasanlage aufbereitet, erklärt Gangel. »Die Bakterien übernehmen die Zersetzung des Mais wie im Magen einer Kuh. Das Endprodukt der mikrobiologischen Vergärung ist nach 90 Tagen ein Biomethan, das gereinigt in das Erdgasnetz gespeist wird oder direkt vor Ort im Blockheizkraftwerk zur Stromherstellung genutzt wird«, informiert der Landwirt.
Am Ende der Maisernte ist der Silageberg rund zehn Meter hoch, 30 Meter breit und 100 Meter lang. Rund 30 000 Tonnen Mais lagern hier. Die Maismiete ist mit einer Folie abgedeckt, damit das Erntegut auch über den Winter seine Qualität bewahrt.
Die Landwirte widersprechen dem Vorwurf, dass es sich beim Mais um Monokultur handele, denn »wir setzen auf abwechselnde Fruchtfolgen«. Zudem werde laut Landwirtschaftsministerium heute nicht mehr Mais angebaut als früher. Da die Tierhaltung aufgrund hoher Auflagen stark rückläufig sei, begrüße man die Verwertung des nachwachsenden Rohstoffes in der Biogasanlage. Zudem seien Gärreste wie auch Kuhdung hochwertige Volldünger.
Gangel: »Durch die hohen Gaspreise stellen viele Hersteller keinen Dünger mehr her. Es ist nicht sicher, ob 2022 überhaupt genügend Dünger auf dem Markt vorhanden ist. Deshalb ist der natürliche Dünger wertvoller denn je.«
12 000 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart
Die Biogasanlage Karben ist auf einem drei Hektar großen Gelände 2011 in Betrieb gegangen. Sie besteht aus einer Waage, Fahrsiloplatte, Vorgrube, je zwei Feststoffdosierer und Fermenter, einem Nachgärer, einer Gasaufbereitungsanlage, einem Blockheizkraftwerk, Rohgaskessel und zwei Gärrestlager. Das Biomethan wird über das Netz der Netzdienste Rhein-Main an die Städtische Werke AG nach Kassel verkauft. Der Strom wird in das Netz der Ovag eingespeist. Es wird nach Auskunft des Betreibers Energie für die Versorgung von rund 5000 Haushalten mit Strom und 1000 Haushalten mit Wärme erzeugt. Die CO2-Einsparung betrage 12 000 Tonnen pro Jahr. Gesellschafter sind zu je 33 Prozent die Karbener Energie GmbH, die Städtische Werke AG Kassel sowie Landwirte, Marktpartner und Privatpersonen.