Überall drehen sich Baukräne – doch viele Neubauten sind Eigentumswohnungen. Dabei können sich knapp 60 Prozent der Bevölkerung „nur“ Mietwohnungen leisten. In der südlichen Wetterau ist das bezahlbare Angebot noch dünner.
Bad Vilbel/Karben. Täglich einmal jubeln sollten all jene Wetterauer, die günstig wohnen. Wer umziehen muss oder neu in den Süden des Kreises zieht, hat nämlich ein Problem. In Bad Vilbel und fünf Kilometer drumherum bot ein Internetportal gerade einmal 90 freie Mietwohnungen an. Ein typisches Angebot: 93 Quadratmeter in einem mindestens 50 Jahre alten Mehrfamilienhaus für 1100 Euro kalt.
Die Kommunen selbst müssten mehr Mietwohnungen bauen, meinte 2017 der damalige Landrat Joachim Arnold. Der SPD-Politiker schlug zwei Tage vor seinem Wechsel in den Vorstand des Stromversorgers Ovag die Gründung eines Wohnungsbau-Zweckverbandes vor. Das Land Hessen würde sogar finanziell mitmachen, sagte Arnold damals.
Wenn die Gemeinden sieben Euro pro Einwohner und Jahr beisteuern und der Wetteraukreis mit 2,1 Millionen Euro selbst mitmachen würde, kämen auf Anhieb 20 Millionen Euro für neue Mietwohnungen zusammen. Der Zweckverband würde Bauträger einschalten, weitere Infrastrukturprojekte anpacken – und für den Abbau störender Vorschriften trommeln, die den Mietwohnungsbau behindern.
Die schwarz-rote Kreis-Koalition bekannte sich auch nach Arnolds Abgang zu dieser Idee. Das Niddaer Stadtparlament beschloss im März sogar, über den Eintritt in den Zweckverband zu verhandeln. Doch der existiert noch nicht. Er wurde vertagt. Es gebe noch Beratungsbedarf, sagte der künftige Landrat Jan Weckler (CDU), ohne Details zu verraten.
Günstig zuschanzen
Es gibt Gegner des Projekts. Von selbst meldete sich Peter Vetter – ein gewerblicher Bauträger aus Altenstadt. „Nichts gegen neue Wohnungen“, sagt der 63-jährige Geschäftsführer von VT-Ingenieurbau. „Mich stört aber, dass die Politik günstigen Neubau fordert, selbst aber der größte Preistreiber der vergangenen Jahrzehnte ist.“
Die Gemeinden langten für die Erschließung und das Bauland selbst in den Geldbeutel der Investoren. „Die Kommunen werden ihrem Zweckverband Bauland günstig zuschanzen“, prophezeit Vetter. „Wir dagegen müssen schon jetzt hundert Euro mehr als den Richtwert für den Quadratmeter zahlen.“ Neue Mietwohnungen seien nur draußen auf dem Lande finanzierbar. Im Ballungsraum müsste jeder Quadratmeter mit 300 bis 400 Euro subventioniert werden.
Letzteres geschieht in kleinem Rahmen tatsächlich. Die Karbener Wohnungsbaugesellschaft besitzt 98 teils sehr einfache Mietwohnungen. Sie errichtet an der Waldhohl neben der Kurt-Schumacher-Schule gerade zwei fünfstöckige Häuser mit 35 Wohnungen. Eines davon hat 17 Eigentumswohnungen, die laut Geschäftsführer Volkmar Busch alle verkauft sind. Sie werden Ende Juni an die Eigentümer übergeben. Der Gewinn finanziert das zum Jahresende beziehbare Nachbarhaus mit 18 Mietwohnungen – für die längst jede Menge Interessenten angeklopft haben. Der Mietpreis liege bei 9,50 Euro pro Quadratmeter.
Zum ersten Mal seit Jahren rang sich die von drei Rathaus-Bediensteten geführte Gesellschaft zu so einem Zehn-Millionen-Projekt durch. Vor kurzem beschloss zudem das Stadtparlament, Partner für weitere Mietwohnungen in Karben zu suchen. Auch der Zweckverband sei eine Option, sagte Bürgermeister Guido Rahn. Es komme auf die Details an.
Viel mehr gebraucht
In Bad Vilbel entscheidet die Genossenschaft für Bauen und Wohnen in Kürze, ob sie etwa 25 neue Mietwohnungen bauen wird. Wo und wie genau, möchte Geschäftsführerin Nancy Kabisch noch nicht verraten. Die Genossenschaft hat 663 Mietwohnungen in 63 Häusern. Viel mehr werden gebraucht, sagt Kabisch. Wenn es zum Neubau kommt, wolle sie die Arbeiten selbst organisieren und Vilbeler Handwerker beschäftigen. Den Zweckverband des Kreises brauche sie nicht.
Die Bad Vilbeler Stadtwerke besitzen laut Betriebsleiter Klaus Minkel 34 Mietwohnungen. 73 weitere kämen 2018 hinzu. 50 davon werde man für weniger als zehn Euro pro Quadratmeter vermieten, kündigte Minkel an. Finanzierbar wird das durch den Bau und Verkauf von Eigentumswohnungen.
Den kreisweiten Zweckverband sieht er für Bad Vilbel nicht als notwendig an: „Die Idee des Landrats könnte vor allem für die kleineren Gemeinden sehr interessant sein, die nicht über die erforderlichen Strukturen verfügen.“