In Groß-Karben wird am kommenden Wochenende groß gefeiert. Gleich drei Anlässe vereinen die Groß-Kärber in ihrem wegen der Bauarbeiten um ein Jahr verschobenen traditionellen Dorffest: den Abschluss der Dorferneuerung, die Eröffnung der Nordumgehung und – das besondere Jubiläum – im Jahr 2018 wird Groß-Karben 725 Jahre alt.
Karben. Der Name Groß-Karben taucht erstmals in einer Urkunde von 1293 auf. Es ist eine Gerichtsurkunde des Freigerichts Kaichen, in der es um Erbansprüche auf Güter geht. Einer der genannten Zeugen kommt aus Grozinkarben. „Der Name ’Karben’ taucht schon in einer Urkunde aus dem Jahr 827 auf“, bemerkt Stadtrat Jürgen Hintz (CDU), Vorsitzender des Geschichtsvereins und Mitglied im Festausschuss zum Dorffest. Nur könne man leider nicht zuordnen, welches der drei Karben nun gemeint sei.
Zur 700-Jahrfeier Groß-Karbens haben Stadt, die historische Kommission und der Festausschuss die Geschichte des Ortsteils im Karbener Heft Nummer 14 rekapituliert und eine Chronologie der Ereignisse zusammengetragen. Frühe verbürgte Daten seien spärlich aufgrund vieler großen Brände, bemerkte Hintz. Dennoch lassen sich laut Chronologie geschichtliche Strömungen auch für Groß-Karben ersehen. 1543 wird die Filialkirche Groß-Karben evangelisch. Pest und Pocken grassieren 1563/64 in Europa und gehen auch an Groß-Karben nicht spurlos vorüber, es herrschen „sterbende Leuft“. Infolge der Wirren des Dreißigjährigen Krieges suchen 172 Personen samt Vieh 1634 Schutz in den Mauern der Burg Friedberg.
Synagoge zerstört
Im Jahr 1739 erhalten die Groß-Kärber jüdischen Glaubens von der Burg Friedberg die Erlaubnis, eine Synagoge zu bauen, die in der Heldenberger Straße entsteht. Ein Jahr später wird eine jüdische Schule eingerichtet. Eine Volkszählung aus dem Jahr 1871 ergibt, dass Groß-Karben, neben Staden, mit fast 20 Prozent im Kreis Friedberg die Gemeinde mit dem höchsten jüdischen Bevölkerungsanteil war. 1938 werden Synagoge und die Scheune des Juden Seppel Junker niedergebrannt. An der Stelle der Scheune steht heute der Kreuzgassbrunnen, der aus Spenden der 700-Jahrfeier gestiftet wurde. 1942 werden die noch verbliebenen etwa 30 Groß-Kärber Juden deportiert, von denen die meisten in den Konzentrationslagern umgebracht wurden. Eine Gedenktafel erinnert heute an den Standort der Synagoge, mit Stolpersteinen wird der ermordeten jüdischen Mitbürger gedacht. Allein der jüdische Friedhof, 1870 errichtet, existiert noch heute.
Von Groß-Karbens langer Historie künden heute hauptsächlich Gebäude: das Degenfeld’sche Schloss wird 1728 auf einem vormaligen Barockhaus erbaut, das Dank der Dorferneuerung zu neuem Leben und Glanz erwacht ist und das Heimatmuseum beherbergt. 1775 folgt der Bau des Leonhardischen Schlosses. Um die beiden Schlösser herum mit Westlicher und Östliche Ringstraße, die Kirche, das sei der mittelalterliche Ortskern, so Jürgen Hintz. Gewachsen sei der Ort um diese Mitte herum. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat Groß-Karben einen enormen Zuwachs an Vertriebenen zu verkraften, 1970 verschmilzt das selbstständige Groß-Karben als Stadtteil mit vier weiteren Dörfern zur Stadt Karben.
Intensive Zeiten
25 Jahre nach der 700-Jahrfeier haben die Fest-Veranstalter eine Broschüre herausgebracht und im Ortsteil verteilt, in der die neuere Geschichte und die ortsansässigen Vereine im Vordergrund stehen. Intensive und aufreibende Zeiten hat dabei etwa Harald Ruhl erlebt als Mitbegründer der Bürgerinitiative „Nordumgehung jetzt“ und als politisch engagierter Groß-Kärber (SPD) im Dorferneuerungsprozess – das Förderprogramm des Landes Hessen hat noch Bürgermeister Roland Schulz (SPD) nach Groß-Karben geholt. Umgesetzt unter seinem Nachfolger Guido Rahn wurden die Neugestaltungen des Jugendfreizeitgeländes neben der TG Groß-Karben und des Platzes mit Ehrenmal am Friedhof. Rund 30 Groß-Kärber im Arbeitskreis Dorferneuerung konzipierten diese und weitere städtischen Projekte. Ein Konzept – mittels einer Bürgerstiftung die Sanierung des Degenfeld’schen Schlosses hin zu einem Kreativzentrum – hat sich gänzlich anders entwickelt. Das Schlossgebäude wurde privatisiert, renoviert und beherbergt, neben Wohnungen, weiterhin das Heimatmuseum. Die Bürgerstiftung hat sich trotzdem gegründet und verfolgt ihre Ziele mit dem Schwerpunkt auf Bildung im Stadtgebiet. Erst der Bau der Nordumgehung hat die Sanierung der Heldenberger Straße mit Lindenplatz und Platz mit Kreuzgassbrunnen – ein Projekt der Dorferneuerung – ermöglicht. „Die Gestaltung dieses Bereichs hat meine Erwartung übertroffen“, ist Ruhl begeistert.
Mehr Lebensqualität
Das verspricht eine neue Lebensqualität, die Ruhl als Anwohner der Bahnhofstraße schon jetzt ein bisschen genießen kann, auch wenn die Straßensanierung in diesem Bereich noch bevorsteht. Denn es ist erheblich ruhiger geworden. Die Entlastung des Ortskerns vom Verkehr durch eine Nordumgehung haben er sich und weitere 60 aktive Mitglieder der BI auf die Fahne geschrieben und begonnen, sich massiv für den Entlastungsbau stark zu machen: Unterschriftensammlungen, Demonstrationen und immer wieder mit Briefen bei allen mit dem Projekt verbundenen amtlichen Stellen von Stadt, Kreis, Hessen Mobil und Landesregierung die Dringlichkeit verdeutlicht. „Fast auf den Tag genau 10 Jahre nach der Gründung der Bürgerinitiative, also am 30. November 2016, wurde die Nordumgehung dem Verkehr übergeben“, schreiben Ruhl und Mayer in der Broschüre. „Groß-Karben ist der attraktivste Ortsteil“, schwärmt Ruhl, „das ist ganz subjektiv“, schiebt er entschuldigend nach. Er wünscht sich, dass Groß-Karben mit seinen vielen Vereinen seine intakte Infrastruktur erhält als Stadtteil mit Seele und Lebensqualität, für Junge und Alte, für Alteingesessene und Neubürger.