Karben. Dunkle Wolken über Karben bringen nicht nur Starkregen, sondern auch jede Menge Ärger. Die Ereignisse rund um die Kellerüberflutungen Mitte September werden ein Nachspiel haben. Jetzt musste die Stadt Klartext reden.
Am Tag nach seiner Wiederwahl zum Bürgermeister hatte Guido Rahn gleich eine unangenehme Aufgabe vor der Brust: Zusammen mit dem technischen Leiter der Stadtwerke Karben, Michael Quentin, musste er im Bürgerzentrum Rede und Antwort stehen. Auslöser war ein folgenschweres Desaster, das sich am 15. September in der Stadtmitte ereignet hatte:
25 Liter Regenwasser pro Quadratmeter kamen an diesem Tag zwischen 18 und 22 Uhr über Karben nieder. Meteorologisch handelte es sich um keine außergewöhnliche Regenmenge. Zum Vergleich: Beim sogenannten »Jahrhundertregen« Anfang Juli verzeichnete man 50 Liter innerhalb von 90 Minuten. Und dennoch reichte dieser jüngste Niederschlag aus, um wieder viele Karbener Keller unter Wasser zu setzen. Teils große Schäden entstanden in der Uhlandstraße, Erich-Kästner-Straße, Goethestraße, Wilhelm-Busch-Straße, Am Breul, Auf der Warte, Hessenring und Am Park.
140 Menschen wollten am Montagabend Fakten von der Stadt hören. Neben der Frage nach dem »Warum?« ging es um die finanzielle Schadensabwicklung. Dementsprechend fanden einige Anwohnerinnen und Anwohner deutliche Worte und ließen ihrem Ärger freien Lauf.
Bürgermeister Rahn skizzierte zu Beginn kurz die Geschehnisse. Zwei Stunden lang habe sich das Wasser kaum aus den Kellern entfernen lassen. Die Karbener Feuerwehr sei mit Unterstützung aus Ilbenstadt, Kaichen und Gronau an über 80 Stellen im Dauereinsatz gewesen. »Dann war plötzlich alles weg, als ob jemand einen Stöpsel gezogen hatte«, beschrieb er den unvermuteten Fortgang.
Tatsächlich war das die Phase, als die zuvor ausgefallenen Regenwasserpumpen in der Kläranlage ihre Arbeit wieder aufnahmen. Vier solcher Pumpen gibt es vor Ort. Jede für sich ist in der Lage, 7200 Kubikmeter pro Stunde abzupumpen. Bei »normalem« Starkregen sind in der Regel nur die Pumpen eins und zwei im Einsatz. Am 15. September funktionierte keine einzige, wie die Verantwortlichen der Stadt einräumen mussten.
Eine Nachricht, die allenthalben Kopfschütteln hervorrief. Rahn nannte das Szenario »eine Verkettung unglücklicher Umstände«. Natürlich müsse die Kläranlage eine solche Regenmenge bewältigen können. Michael Quentin erklärte den Versammelten dann die Hintergründe. »Eine externe Firma ist derzeit mit der Umstellung des Klärwerks auf den neuesten digitalen Stand beschäftigt. Während dieser Arbeiten sind am 15. September die Pumpen ausgefallen und zeitgleich mehrere Alarmmeldungen ausgelöst worden, die ein Kollege von der Stadt nacheinander abgearbeitet hat. Er hat aber nicht den direkten Weg in die Kläranlage genommen.«
Im Anschluss an dieses Bekenntnis hagelte es Wortmeldungen. Die Stimmung war aufgeheizt. Einige Betroffene ergingen sich in Schuldzuweisungen, die vom Bürgermeister allerdings abgeblockt wurden: Es sei jetzt eher an der Zeit, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen, sagte Rahn. Viele Anwesende äußerten auch Bedenken, dass sich derartige Vorfälle in Zukunft wiederholen könnten. In diesem Zusammenhang verwiesen die Verantwortlichen auf die Zuverlässigkeit der Karbener Kläranlage. In 40 Jahren sei so etwas noch nie vorgekommen. Und nun werde die Kläranlage Stück für Stück für eine halbe Million Euro modernisiert. »Aber wir müssen daraus lernen und wollen uns nicht wegducken«, versprach Rahn. In der Konsequenz heißt das: Alle Geschädigten sollen demnächst schriftlich die Möglichkeit bekommen, ihre Forderungen bei der städtischen Versicherung mit geltend zu machen.
Die Betroffenen sind angehalten, jeden Schaden genauestens zu dokumentieren. Anschließend werden die Schriftstücke gesammelt und an die Versicherungsgesellschaft weitergeleitet. Außerdem wird die Stadt Experten zur individuellen Beratung in die betroffenen Haushalte schicken. Die Schadenshöhen, die von Betroffenen an diesem Abend genannt wurden, beliefen sich zwischen 1000 und 20 000 Euro.
Quentin brachte eine weitere Zusammenkunft ins Gespräch, bei der die Entwicklungen dann neu bewertet werden könnten.
Von Jürgen Schenk