Karben. Auf keinen Fall wollen die Karbener Genossen den Kopf in den Sand stecken, nur weil sie nach der Mehrheit im Stadtparlament nun auch noch den Chefsessel im Rathaus abgeben mussten. Das versprachen auf dem Neujahrsempfang der Karbener SPD im Bürgerzentrum vor rund 150 Gästen sowohl die Ortsvorsitzende Christel Zobeley, als auch der Fraktionschef der Karbener SPD, Thomas Görlich.
Görlich kündigte deshalb neue Leitlinien seiner Partei an, indem die Ziele für die Zukunft abgesteckt würden. Diese sollen aber, bevor sie endgültig beschlossen werden, mit den Mitgliedern diskutiert werden. Eine ähnliche Vorgehensweise auf Bundesebene versprach der Ehrengast des Neujahrsempfangs, die ehemalige Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD).
Auch hier will die SPD nach dem Ausscheiden aus der Regierungsverantwortung und nach der Neuausrichtung ihres Parteivorstandes neue Wege gehen. „Zukünftig soll nicht mehr der rechte gegen den linken Flügel kämpfen“, wiederholte Zypries die Vorgabe ihres Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel. „Gemeinsam wollen wir als SPD das Leben in Deutschland wieder verändern“.
Es solle wieder gerechter und solidarischer werden. Dies zu fordern sei aus der Opposition heraus sicherlich einfacher als mit Regierungsverantwortung. Trotzdem habe man derzeit Schwierigkeiten, mit sinnvollen Vorschlägen etwa zur Arbeitsmarktpolitik an die Öffentlichkeit vorzudringen. „Denn was die Regierung zurzeit in Berlin an eigenen Fehlern bietet, überschreitet jede Vorstellungskraft“, so die Ex-Bundesministerin.
Ein Beispiel sei das im Wahlkampf gegebene Versprechen der FDP, dass alle Bürger nach der Regierungsübernahme durch sie „Mehr Netto vom Brutto“ im eigenen Portemonnaie hätten. Jetzt aber stelle sich heraus, dass die Steuern zwar gesenkt werden sollen, dafür aber die Beiträge für Krankenkassen sowie die Gebühren für Kindergärten und kommunale Einrichtungen angehoben werden müssten. „Es gibt also genug Themen, für die neue Ideen gebraucht werden. Doch die wollen wir dieses Mal mit unseren Mitgliedern abstimmen und anschließend beschließen“, so Zypries weiter.
Sie sprach die vielfach kritisierte Agenda 2010, die sie unter Gerhard Schröder mitbeschlossen hatte, zwar nicht direkt an, meinte aber dazu: „Es sind nicht alle Gesetze schlecht, die damals von der SPD initiiert wurden. Nur müssen sie halt weiter entwickelt werden.“ In diesem Sinne weiterentwickelt werden müssten auch Themen wie Mindestlöhne, Bologna-Reform, Klimaschutz oder eine internationale Finanzmarkttransaktionssteuer.
Im Anschluss ehrte die ehemalige Bundesministerin noch die Jubilare der Karbener SPD. Darunter war auch der langjährige Stadtverordneter Erwin Schichtel, der der Partei 50 Jahre angehört.
Die Ex-Bundesjustizministerin Brigitte Zypries wollte am Sonntagmorgen nach ihrer Rede eigentlich schnell zum Flughafen und weiter nach Berlin fliegen. Doch die fast schon flehentlichen Bitten einiger SPD-Mitglieder, doch für das Gruppenfoto nach den Ehrungen noch dazubleiben, stimmten sie schließlich dann doch um.
Deshalb nahm sie zunächst zusammen mit der Wetterauer SPD-Unterbezirksvorsitzenden, der früheren Bundestagsabgeordneten Nina Hauer aus Rendel, die mit ihren beiden Kindern zum Neujahrsempfang gekommen war, das langjährige Karbener Stadtparlamentsmitglied und Ehrenstadtrat Erwin Schichtel in die Mitte für das begehrte Foto. Schichtel wurde für immerhin 50 Jahre Zugehörigkeit zur Karbener SPD geehrt.
Für 40 Jahre Mitgliedschaft bei den Sozialdemokraten erhielten anschließend auch noch Renate Breiter, Gisela Rapior, die ehemalige Stadtverordnetenvorsteherin Ulla Becker sowie Armin Blatt, Claus Oschinski und Gerd Peter Urkunde und Anstecknadel.
Die Ehrung der Mitglieder mit 25- und zehnjähriger Zugehörigkeit zur SPD mussten dann allerdings die SPD-Ortsvorsitzende Christel Zobeley sowie Sozialdezernent und Stadtrat Jochen Schmitt vornehmen. „Das sind einfach zu viele“, entschuldigte sich die Ex-Bundesministerin lachend und verabschiedete sich schnell in Richtung Flughafen. (jwn)