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Spannende Einblicke beim »Grenze-Gang«

Über Stock und Stein führte der Weg durch den Wald von Grenzstein zu Grenzstein entlang. Hier der Stein Nr. 61, der die Grenze zwischen Bergen-Enkheim, Bad Vilbel und Seckbach anzeigt. Foto: Christine Fauerbach
Über Stock und Stein führte der Weg durch den Wald von Grenzstein zu Grenzstein entlang. Hier der Stein Nr. 61, der die Grenze zwischen Bergen-Enkheim, Bad Vilbel und Seckbach anzeigt. Foto: Christine Fauerbach

Bad Vilbel. Auf Schusters Rappen durch den Bad Vilbeler Wald führte der erste »Grenzegang« zu dem die AG Historische Grenzsteine und Prof. h. c. Peter W. Hübner am Sonntag eingeladen hatten. Das Angebot stieß auf großes Interesse in der Bevölkerung und so wurden zwei Gruppen gebildet.
Spannender als jeder Krimi waren die beiden ersten Bad Vilbeler »Grenze-Gänge« mit Prof. Peter W. Hübner. Der Obmann für die Historischen Grenzsteine Bad Vilbels begrüßte am Sonntag, dem »Tag des Grenzsteins«, zwei Gruppen mit 30 interessierten Bürgerinnen und Bürgern auf dem Waldparkplatz in Bad Vilbel.
Gefeiert wird der »Tag des Grenzsteins« seit der Herrschaft von Numa Pompillius, dem zweiten König von Rom (715 bis 672 v. Chr.). Er soll das Setzen der ersten Grenzsteine an den Grenzen des römischen Reiches angeordnet haben. »Die Römer, die nachbarschaftliche Kontrollgänge entlang ihrer Grenzen kannten, feierten den letzten Tag des altrömischen Jahres (23. Februar) zu Ehren von Terminus, dem Gott der Grenzsteine (lat. Terminus = Grenzpunkt), aus dem der ›Terminalia‹, der Tag des Grenzsteines entstand.« Gott Terminus garantierte für die Unantastbarkeit der Grenzsteine und damit das Eigentum an Grund und Boden.
Die von der AG Historische Grenzsteine und Peter W. Hübner ausgewählte Strecke war rund drei Kilometer lang. Sie verlief vom Waldparkplatz an der B 521 am Waldrand entlang hinab ins Tal bis zum Lindenweg ans Gelände des Polizei- und Schutzhundevereins Bad Vilbel. Die Grenzlinie von Bad Vilbel ist mehr als 25 Kilometer lang.
20 Steine
wieder sichtbar gemacht

»In Bad Vilbel haben wir bisher 45 Steine gefunden, von denen 20 nicht mehr sichtbar waren. Bad Vilbel hat in jeder Himmelsrichtung und an zwei Sprüngen Steine gesetzt. Alle Steine sind durchnummeriert, haben an den Seiten Inschriften wie »GH« für Großherzogtum Hessen« oder »KP« für Königreich Preußen. Teils sind auch noch Wappen des Staates, der Grafschaft oder der Stadt zu sehen, an deren Grenze sie aufgestellt sind.«
Weitere Bezeichnungen und Symbole weisen auf Rechte wie dem des Holzeinschlags hin. Steine in der Nidda kennzeichnen die Fischereirechte. Markierungen in Form von einer Geraden oder eines Winkels auf dem »Kopf«, der Oberseite des Steines, geben den Verlauf und die Richtung der Grenze bis zum nächsten Stein an. Einige Steine haben auf der Oberfläche/Oberseite einen Vermessungspunkt. »Die Bezeichnungen und Markierungen sind quasi der Schlüssel zum Entziffern der Steine.« Der Obmann arbeitet derzeit an einer Inschriften-Bibliothek, die täglich erweitert wird und online unter http:// historische-grenzsteine-badvilbel.de/inschriftenbibliothek eingesehen werden kann.
Meist sind die Grenzsteine älter als die Nummerierungen. Der Stein mit der Nummer 1 steht an der Nidda bei Berkersheim. Bei Steinen ohne Markierungen handelt es sich um Flursteine. Einige von ihnen stehen in unmittelbarer Nähe eines Grenzsteines. Zu den wiederentdeckten und freigelegten Steinen gehört ein sogenannter Dreimärker mit der Nr. 61, der die Grenze zwischen Bergen-Enkheim, Bad Vilbel und Seckbach anzeigt. Gesetzt wurde er 1832 im Auftrag des Berger Amtmannes Burghart. »Dieser Stein war bis 1981 sichtbar, danach verschwunden. Er gehört zur alten Serie der Grenzsteine aus dem Jahr 1732.« Bei ihm handelte es sich ursprünglich um einen Viermarker, der im Zuge der wechselnden Besitzverhältnisse umgearbeitet worden ist. »Die Herrschaften änderten sich ständig, das Gebiet bestand aus einem Fleckenteppich.«
Zur der ab dem 14./15. Jahrhundert üblichen Grenzanlage gehörten nicht nur die Grenzsteine, sondern auch Bachläufe, Gräben und Bäume. Die Grenzsteine sind aus Basalt, zwischen 90 und 100 Kilogramm schwer und rund 1,50 Meter hoch. Sie wurde dann beim Setzen eingegraben. »Die Grenzsteine sind aus Vogelsberglava, die bis Frankfurt-Bockenheim und dem Westbahnhof floss. Dadurch gab es in Frankfurt sieben Basaltwerke, die Basalt brachen und verarbeiteten«, erläuterte Hübner
Dagegen sind die Flursteine, von ihnen wurden zwölf im Wald entdeckt, oft aus Sandsteinen gehauen. Das Wiederfinden verschwundener Steine gelingt durch das Aufeinanderlegen historischer Karten und modernen Vermessungen. Die wiedergefundenen Steine waren meist unter dicken Erdschichten verborgen, tragen an ihrer Oberseite oft auch von Pflügen oder anderen Ackergeräten verursachte Schäden. Die Steine wurden freigelegt, dokumentiert, fotografiert und rundherum ein »Vilbeler Schutzkreis« errichtet sowie ein Pfahl aufgestellt. Sollte ein Stein wieder zugeschüttet werden, wird seine Oberfläche zuvor mit Sand geschützt und einem entsprechenden Schild »Achtung, Denkmal-Grenzstein« samt Nummer und Kennzeichen versehen.
Beim ersten Vilbeler Grenzegang hörten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer viel über die Geschichte ihrer Stadt, über Erkundungsmethoden von analog bis digital, über das Auffinden und die Betreuung der Steine, die vielen Inschriften oder auch etwas zur Gesteinskunde, wie man früher die Landschaft mit Triangulation (Aufteilen einer Fläche in Dreiecke und deren Ausmessung) vermessen hat oder Grenzsteine setzte.
Von Christine Fauerbach