Bad Vilbel. „Als Sissy Staudinger das Ave Maria in der St. Nikolaus Kirche sang, hatte ich Gänsehaut“, sagt Gerhard Krämer. Bei ihm und seiner Frau Edith wohnt die vielseitige Künstlerin, während ihrer Engagements bei den Burgfestspielen. Ob in der Kirche, auf Musicalbühnen oder im Theater, die Bühnenpräsenz von Sissy Staudinger ist überwältigend.
Temperament- und kraftvoll verleiht sie ihren Rollen Charakter und Tiefe. Mit Charme, Stimme und Können erobert sie ihr Publikum im Sturm. So geschehen zuletzt bei der Premiere von „Cabaret“ in der Wasserburg. Schnell wurde klar, warum das so ist: Sissy Staudinger ist das personifizierte Entertainment, bei der das Showtalent aus jeder Pore dringt. Da steht eine Sängerin, Tänzerin, Schauspielerin und Unterhalterin auf der Bühne, die ihren Beruf und ihr Publikum liebt.
Das echte „Münchner Kindl“ aus Schwabing überzeugt in Vilbel in der Rolle des Matrosen verschlingenden „Fräulein Kost“. Zu sehen und vor allem zu hören ist die 39-Jährige diesen Sommer auch in der 60er-Jahre Schlagerrevue „Minirock und Hitparade“. Im Theaterkeller zeigt sie außerdem ihr Soloprogramm „Sissy Staudinger singt Zarah Leander – Eine Frau mit Vergangenheit“.
Sissy Staudinger hat der liebe Gott eine tragende, melodische Altstimme geschenkt, die einerseits vor Kraft und Energie strotzt, die andererseits aber auch voller Nuancen ist, zart und einfühlsam klingen kann. „Singen ist mein Leben“, sagt sie und ihre Augen funkeln vor Begeisterung.
Ihre erste Rolle als Ballettelevin war eine kleine Ente, die sie im Alter von acht Jahren im Theater an der Leopoldstraße gab. „Ich habe als einzige vor Begeisterung so mit dem Popo gewackelt, dass meine Bommel abfiel.“
Ihre Profi-Karriere startete sie 1988 in Münchner Gasteig, wo sie in dem Musical „Kein Oscar für Casablanca“ mitwirkte. Seither folgten viele weitere Rollen, Tourneen und Engagements im In- und Ausland. Sie stand auf der Bühne im Berliner Theater des Westens, im Deutschen Schauspielhaus Hamburg, im Capitol-Theater in Düsseldorf, im Deutschen Theater München und auf vielen weiteren renommierten Bühnen Europas. Zusammengearbeitet hat Sissy Staudinger mit Peter Zadek, Egon Baumgarten, Jerome Savary, Rolf von Sydow, Helmut Baumann, Percy Adlon und Michael Lerchenberg. In der Fernsehserie „Café Meineid“ spielte sie unter dem Regisseur Franz Xaver Bogner die singende Telefonistin Fini Asböck.
Ihr Debüt in Vilbel gab sie 2008 in der Schlagerrevue „Lollipop und Strandbikini“ und in der „Jekyll und Hyde“-Inszenierung mit einer Doppelrolle als Nellie und Lady Beaconsfield. In beiden Rollen wusste sie zu überzeugen.
Große Wärme und Sympathie strahlt die Künstlerin auch privat aus. Starallüren kennt sie nicht. In den Schoß gefallen ist ihr der Erfolg trotz ihres großen Talentes nicht. Er ist das Resultat jahrelanger harter Arbeit. „Sissy hat schon als Vierjährige gesungen und getanzt“, erinnert sich Mutter Carola Staudinger, die aus München kommt, wenn ihre Tochter in einer neuen Rolle auf der Wasserburgbühne steht.
Den Ausschlag zur Künstlerlaufbahn gab der inzwischen verstorbene Vater Reinhold. „Er hatte eine gute Stimme und Talent für die Bühne. Er war Jahrgang 1933. Als Kriegswaise war für ihn eine künstlerische Laufbahn nicht möglich“, sagt die Tochter. Der Vater hatte einen Blick für das Talent seiner Tochter und regte eine Tanzausbildung für die temperamentvolle Sechsjährige an. „Mein Papa hatte die Idee, meine Mama hat mich in der Ballettschule angemeldet. So war das immer. Er gab die Impulse, sie setzte sie in die Praxis um“, erinnert sich die Künstlerin.
Mit ihrem Soloprogramm Zarah Leander erfüllt sich ein langgehegter Wunsch, da sie die Lieder der Diva von klein auf kennt. Nach der Premiere in München vor einem Jahr feierte sie die Presse als „Dramatischer Vulkan“ und als „erotisches Schwergewicht“. Ihr nächstes Projekt ist eine eigene Platte mit Liedern aus ihrem Repertoire.
Einzig ihren schwarzen Panther, Kater Maxi, vermisst sie an der Nidda. Da sie ein gläubiger Mensch ist, nimmt sie gern an Gottesdiensten in der St. Nikolaus Kirche teil. Dort gibt sie mit dem Pianisten Martin Decker am 7. August, um 20 Uhr unter dem Titel „Und der Traum wird wahr“ ein Benefiz-Konzert für die Kirchenmusik. Zu hören sind Lieder aus „Jesus Christ Superstar“, „Anatevka“, „Joseph“, „Godspell“, „Yentl“ und aus „Der kleine Lord“.