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Sie wollen Stolpersteine – Initiative zum Gedenken an ehemaligen jüdischen Mitbürgern stößt auf reges Interesse

Karben. „Wissen Sie, wir lebten hier im Dorf alle normal und friedlich miteinander. Dann dieser Überfall.“ Die Rede ist von der Reichspogromnacht 1938, in der „nicht nur die gesamte Einrichtung von Max Grünebaum in Rendel zerschlagen, sondern dieser auch noch blutig geschlagen wurde“. Das habe ihm ein Zeitzeuge vor wenigen Tagen erzählt, berichtet Hartmut Polzer. Er und Irma Mattner stellten ihre kürzlich ins Leben gerufene Initiative „Stolpersteine in Karben“ (wir berichteten) einer breiten Öffentlichkeit vor. Unter den etwa 30 Interessierten im evangelischen Gemeindezentrum in Klein-Karben waren Vertreter von Fraktionen, Ortsbeiräten, Vereinen und Institutionen wie Geschichtsverein, Gewerkschaft, Deutsch-Ausländischer-Freundschaftskreis sowie Kurt-Schumacher-Schule.

Oberstes Ziel der Initiative sei es, Informationen über das Schicksal jüdischer Bürger Karbens zusammenzutragen, so Polzer. Durch die anschließende Verlegung von Stolpersteinen durch den Künstler Gunter Demnig soll an die Menschen erinnert werden. Inspiriert wurden Polzer und Mattner durch die Stolperstein-Aktion von Demnig in Bad Vilbel im Oktober vergangenen Jahr. „Mittlerweile wurden in 200 Städten Stolpersteine verlegt. Das schaffen wir auch“, sagte Polzer.

Gunter Demnig verlegt die Gedenksteine aus Messing in der Größe von zehn mal zehn Zentimetern im Trottoir vor jenen Häusern, die den jüdischen Menschen vor der Vertreibung durch die Nationalsozialisten als letzte Wohnstätte dienten. Für dieses Engagement wurde er schon mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik ausgezeichnet.

Um 1900 herum waren von den etwa 1400 Einwohnern in Groß-Karben ungefähr 100 jüdischen Glaubens. In Groß-Karben und Staden habe es die größten jüdischen Gemeinden der Region gegeben, auch in Klein-Karben, Okarben, Petterweil und Burg-Gräfenrode lebten Juden. Die Dokumentation „Groß-Karben und seine Juden“ von Helmut Weigand, Ex-Mitglied des Geschichtsvereins, dient den Initiatoren als Grundlage ihrer Recherchen. Zudem haben sie Kontakt zur Wissenschaftlerin Monica Kingreen geknüpft, die am Fritz-Bauer-Institut in Frankfurt über jüdisches Leben in der Wetterau forscht. Im Internet sind die bisherigen Ergebnisse der Recherchen unter www.stolpersteine-in-karben.de nachzulesen.

Er begrüße die Initiative außerordentlich und sichere ihr Unterstützung zu, sagte Bürgermeister Roland Schulz. Angesichts gestiegenen Rechtsextremismus’ in der Wetterau müsse es neben dem Erinnern auch darum gehen zu mahnen, sagte Ingeborg Rippen. Bislang besteht die Initiative aus Polzer und Mattner. Das in Karben lebende Paar versteht sein Engagement als Anstoß, möchte mehr Mitstreiter gewinnen. Spontan sagten mehrere Vereinsvertreter und Privatpersonen zu, Patenschaften für Stolpersteine zu übernehmen. Ein Stein kostet 95 Euro.