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Sie singen von Veränderung – Leonore Kleff und Bernd Hohmann proben mit Chormitgliedern das berühmte Musical „Anatevka“

Nidderau. Großes kündigt sich für Nidderaus Kunstszene an. Denn seit Wochen schon werden dringend Sänger, Tänzer und Schauspieler für die Neuinszenierung des Musicals „Anatevka“ gesucht.

„Warte mal, Christoph. Ich habe eine neue Rolle für dich“, empfing Chorleiterin Leonore Kleff am vergangenen Dienstag im Vereinsheim der Sängergemeinschaft Windecken den 20-jährigen Christopher Klos zur Probe für das neue Musical „Anatevka“. „Du musst die Sprecherrolle des russischen Studenten Perchik übernehmen. Den Andy, der bisher für die Rolle vorgesehen war, hat der Stimmbruch überrascht.“

Die Umverteilung fiel der Chorleiterin nicht leicht, denn Christopher war bis dahin einer der wenigen Männerstimmen im Chor. „Wir brauchen ganz dringend noch Tenor- und Baritonstimmen. Wer jemanden kennt, dem Singen Spaß macht, der soll ihn zur Probe schicken“, bat Kleff fast schon flehentlich um Verstärkung.

35 Personen umfasst ihr Chor zurzeit, der größte Teil davon sind Frauen. „Wer also die Frau fürs Leben kennen lernen will, der sollte sich melden“, sprang ihr Regisseur Bernd Hohmann scherzend bei. Auch er benötigt noch Männer mit Schauspieltalent.

Seit September proben Kleff und Hohmann für ihre neue Musicalinszenierung, die Mitte März 2010 zur Aufführung kommen soll. Warum nach „Tanz der Vampire“ nun „Anatevka“ fast schon zwangsläufig folgen musste, habe zwei Gründe, so Kleff, die inzwischen als die treibende Kraft der Musikszene in Nidderau anzusehen ist. „Da ist zum einen die Tatsache, dass wir inzwischen aus dem reinen Schulchor herausgewachsen sind und Sänger im Alter von sieben bis 70 Jahren haben. Zum anderen haben die beiden Stadtteile Windecken und Ostheim eine lange jüdische Tradition.“

Die Handlung des Musicals spielt in dem ukrainischen Dorf Anatevka, in dem überwiegend Juden leben. Darunter auch Tewje mit seiner Frau Golde und seinen fünf Töchtern. Obwohl das Bewahren von Traditionen im jüdischen Alltag eine große Rolle spielt, wollen die drei ältesten Töchter Tewjes nicht mehr von einer Heiratsvermittlerin verschachert werden. Sie suchen sich ihren Ehemann selbst aus. Neben diesem „Unglück“ holt die Familie des Tewjes auch noch ein weiteres Unglück ein: Durch ein Pogrom wird die gesamte jüdische Bevölkerung aus Anatevka vertrieben und muss sich woanders ein neues Zuhause aufbauen.

Was bleibt? Der Fiedler auf dem Dach, der, wie Tewje weise feststellt, nun anderswo versuchen wird, „eine einschmeichelnde Melodie zu spielen, ohne sich dabei das Genick zu brechen“.

Seit der Uraufführung 1964 am New Yorker Broadway gehört „Fiddler on the Roof“, in der deutschsprachigen Fassung bekannt geworden unter dem Titel „Anatevka“, zu den Musical-Klassikern.

Doch bevor die Inszenierung auch in Nidderau bühnenreif ist, bedarf es noch vieler Proben. Dabei ist für die entsprechende Kleidung bereits gesorgt. Eva Hartmann, die ebenfalls Mitglied des Chors ist, hat auf dem Dachboden des Rathauses die alten Kostüme des historischen Festzuges auf der Hohen Straße wiederentdeckt. „Die bringe ich jetzt mit, und dann werden sie Stück für Stück zugeordnet. Wenn was nicht passt, muss derjenige halt eine Schürze drüberziehen oder mit einem Gürtel das Verrutschen verhindern“, weiß sich Hartmann zu helfen.

Aber mit den Kostümproben hat es noch etwas Zeit. Erst einmal ist der Gesang an der Reihe. Deshalb müssen sich immer zu Beginn der Probe alle Chormitglieder zunächst von ihren Stühlen erheben und Atem- und Einsingübungen machen. (jwn)