Eigentlich könnte man sich in der Selbsthilfekontaktstelle Bürgeraktive freuen: Schließlich spielen immer mehr Menschen mit dem Gedanken, mit ihren Problemen Rat in Selbsthilfegruppen zu suchen. Aber oft bleibt der letzte Schritt aus, es fehlt der Mut zur Initiative. Die sogenannten „In-Gang-Setzer“ sollen das ändern.
Bad Vilbel. Gerade in der Startphase haben es Selbsthilfegruppen oft schwer. Die Hilfesuchenden fragen sich: Wie gehe ich mit den anderen um? Was kann ich sagen – und was bleibt besser unausgesprochen? Und nicht zuletzt: Wo und wann treffen wir uns? Dieser Unsicherheit stellt sich das Projekt „In-Gang-Setzer“ entgegen, an dem sich die Selbsthilfekontaktstelle Bürgeraktive Bad Vilbel seit drei Jahren beteiligt.
Die Idee: Ausgebildete Ehrenamtliche begleiten die Gruppen in ihrer Findungsphase und stehen ihnen mit Rat und Tat zu Seite. Essenziell dabei ist, dass die „In-Gang-Setzer“ nicht selbst vom gleichen Problem wie die Teilnehmer betroffen sind, aber schon gute Erfahrungen in anderen Selbsthilfegruppen gemacht haben. Sie sollen helfen, ein angenehmes und sicheres Umfeld für die sehr persönlichen Gespräche zu schaffen.
Die derzeit aktiven sechs ehrenamtlichen „In-Gang-Setzer“ sind intensiv geschult worden und haben ein Basiswissen über Kommunikation und Gruppenprozesse erlangt. „Wir haben darüber geredet, wie man das Gespräch untereinander anstoßen und in Fluss halten kann, welche Unterschiede es bei Selbsthilfegruppen gibt und Techniken gelernt, wie alle Gruppenteilnehmer sich einbringen können“, sagt Udo Knietsch, der bereits mehrere Selbsthilfegruppen betreut hat. Er nimmt selbst regelmäßig in einem Gesprächskreis teil, kennt also die Perspektive der Hilfesuchenden.
Allein klar gekommen
Wie fühlen sich Menschen, die neu in eine Gruppe kommen – und was kann man ihnen mitgeben, damit sie sich wohlfühlen? Diese Fragen bewegten Helmtraud Drahotta. Direkt nach der Schulung probte sie den Ernstfall: Sie besuchte eine Gruppe, die auseinanderzubrechen drohte. „Nach sieben Treffen war meine Unterstützung nicht mehr notwendig und die Gruppe ist allein klar gekommen. Auch heute, nach drei Jahren, trifft sie sich immer noch regelmäßig“, sagt sie.
Fast immer glückt die so genannte In-Gang-Setzung, deren Ziel es ist, dass die Gruppe ihren Weg findet und eigenständig weiter geht. „Damit dies gelingt, muss auch der Abschied aus einer Gruppe behutsam besprochen und vorbereitet werden. Manchmal werden wir von der Gruppe auch noch mal angefordert“, berichtet Karola Goebel, die aktuell die Selbsthilfegruppe „Leben mit Brustkrebs“ begleitet.
Themen berühren
„Ein In-Gang-Setzer soll sich nicht inhaltlich einmischen. Das ist auch für ihn selbst wichtig, weil manche Themen sehr berühren können“, sagt Silke Schöck, Mitarbeiterin der Kontaktstelle. „Unsere Ehrenamtler werden daher von uns beraten und bekommen regelmäßig Fortbildungen. Außerdem trifft sich das Team, alle zwei Monate, um sich auszutauschen.“
Die Idee der In-Gang-Setzer stammt aus Dänemark, wo sie sich seit vielen Jahren bewährt hat. In Deutschland hat der Paritätische Wohlfahrtsverbandes NRW das Projekt initiiert, finanziert durch die Betriebskrankenkassen. Bad Vilbel hat sich als erste hessische Kontaktstelle beteiligt, mittlerweile nehmen fünf Selbsthilfebüros in Darmstadt, Fulda, Groß-Gerau, Odenwald und Offenbach teil. (zlp)
Für weitere Informationen ist die Selbsthilfekontaktstelle erreichbar per E-Mail an info@buergeraktive-bad-vilbel.de oder unter Rufnummer (06101) 13 84.