Biber an der Nidda wieder heimisch
Bad Vilbel. Der Biber kehrt in die heimischen Gefilde zurück. Wer häufig an der Nidda unterwegs ist, dem dürften in den vergangenen Monaten Spuren an Bäumen aufgefallen sein, die aussehen, als würden sie von Äxten oder Messern stammen. Stattdessen aber arbeitet der Bieber wieder an der Nidda – und schreckt auch vor den Bäumen nicht zurück, die bei der Renaturierung verschont geblieben waren.
Mit dem Gewässerökologen und Nidda-Experten Gottfried Lehr geht es die Böschung hinab zur Nidda. Der Boden ist matschig, das Wasser steht hoch. Doch hat sich Lehr genau diese Stelle für eine Besichtigung ausgesucht, denn dort sind die jüngsten Werke der Wetterauer Biber gut zu sehen. »Das ist eine der ältesten Stellen der Nidda-Renaturierung«, weiß er. »Hier ist besonders gut zu sehen, was der Biber macht.«
Zu wenig Bäume
Lehr deutet auf eine etwas entfernte Insel mitten in der Nidda. Hier liegen einige Baumstämme und große Äste quer. Diese Stelle befindet sich entlang des Radwegs zwischen Gronau und Karben. »Der Biber frisst, was der Mensch übrig gelassen hat. Dass momentan so viele Biberspuren auftauchen, liegt nicht daran, dass es zu viele Biber gibt. Es gibt zu wenig Bäume«, sagt der Experte.
Biber stünden häufig im Ruf, Bäume zu fällen, damit Überschwemmungen zu verursachen oder das Landschaftsbild zu zerstören. Doch machen die Tiere nichts kaputt: »Sie schaffen Neues«, schildert Lehr. Weiden beispielsweise seien darauf angewiesen, hin und wieder angeknabbert zu werden. Das sei für die Bäume eine Verjüngung wie ein Pflegeschnitt. »Die Natur hat sich dabei etwas gedacht.«
An dieser speziellen Stelle der Nidda würden die gefällten Bäume dafür sorgen, dass sich der Fluss mehr und mehr verlagert. »Das schafft neue Lebensräume über und unter Wasser«, erläutert Lehr.
Drei bis vier Biberfamilien leben derzeit auf Vilbeler Gebiet, schätzt er. Eine erfreuliche Entwicklung. Ende der 1980er Jahre wurden Biber an der Sinn neu angesiedelt und seien seitdem Stück für Stück eingewandert. »Der Biber ist bei uns keine seltene Tierart mehr. Die Zahl ist weiter steigend.« Auch am Erlenbach in Massenheim seien Biber zu Hause, Fressspuren gibt es an der Nidda entlang bis hinunter in den Main.
Für Menschen sind die Tiere derzeit eher schwer zu sehen. Dafür halten sie sich zu sehr zwischen den Ortschaften auf. Doch glaubt Gottfried Lehr, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis sich erste Biber auch im Vilbeler Stadtgebiet blicken lassen. »Dort gab es schon einige Spuren. Auch im Kurpark in Bad Nauheim sind schon Biber aufgetaucht.« In Rosbach seien bereits mehr als 40 Biberfamilien heimisch. »Der Biber ist eine europaweit geschützte Tierart und vor allem auch ein großer Sympathieträger«, weiß Lehr. »Die Neuansiedlung ist schon eine große Erfolgsgeschichte.«
Auf der Roten Liste
Unterm Strich könne sich jeder über die Verbreitung der Tiere freuen, für Probleme werden die Biber vermutlich vorerst nicht sorgen, schätzt der Gewässerökologe. »Wenn natürlich irgendwann Bäume so angenagt sind, dass es auf den Wegen gefährlich wird, muss man etwas tun. Sonst können vor allem hier draußen an der Nidda so viele Biber wohnen, wie es geht.«
Die Tiere stehen weiterhin auf der Roten Liste bedrohter Arten. Der Nidda tun die Biber wie erwähnt ohnehin gut, das gilt auch für das aktuelle Wetter. »Wo die Tiere die Stämme und Äste umgeworfen haben, sind Stromschnellen entstanden. Das sorgt gerade unter Wasser für viel Bewegung«, sagt Lehr. »Eine gewisse Dynamik ist die Folge.«
Dass die Nidda derzeit so viel Wasser führe, sei nicht nur deshalb positiv zu sehen. Der Gewässerölologe erklärt: »Wir freuen uns über jeden weiteren Tag Regen.« Seit Ewigkeiten hätte die Nidda kein Hochwasser mehr gehabt, schlimmer noch: »Seit 2007 hat die Nidda eigentlich durchgehend ein Wasserdefizit.« Den Flüssen der Region könnte aktuell deshalb nichts Besseres passieren als Regen, Regen und Regen. »Schließlich wissen wir alle nicht, was der nächste Sommer bringen wird.«
Fast ausgerottet
Der Biber war einst in Europa und Asien heimisch, wie die Deutsche Wildtierstiftung beschreibt. Jedoch wurden die Tiere im 19. Jahrhundert durch Bejagung in fast ganz Deutschland ausgerottet. Besonders gerne leben die Tiere an langsam fließenden und stehenden Gewässern und sorgen dort, wie von Gottfried Lehr beschrieben, für wichtige Dynamiken und Veränderungen von Lebensräumen im und rund um das Gewässer. (nma)